minierungsverbot allein das Problem nicht lösen (Capotorti 1991, 602). Im Ge¬
genteil: Das Betonen der strikten Gleichbehandlung leistete Politiken zwangs¬
weiser Assimilierung untergründig eher Vorschub. Diese Erkenntnis fand zwar
schon Mitte der sechziger Jahre Eingang in Art.27 des von den Vereinten Na¬
tionen erarbeiteten Internationalen Paktes über bürgerliche und politische
Rechte (siehe dazu Hailbronner 1989, 80 ff.; Thomberry 1991, 141 ff.). Der
Text des Abkommens blieb jedoch lange Zeit toter Buchstabe. Es bedurfte erst
des fundamentalen politischen Umbruches in Europa, bis die Einsicht in die
immense politische Bedeutung der Minderheitenfragen auch tatsächlich die
Staatenpraxis zu durchdringen begann. Zu Anfang der neunziger Jahre war es
dann aber soweit: Die Ideen des Minderheitenschutzes erlebten eine umfassende
Renaissance. Die KSZE-Dokumente der Umbruchzeit, vor allem die Doku¬
mente von Kopenhagen von 1990 und der Genfer Experten-Konferenz von
1991 sowie die Charta von Paris, beschworen wortreich den sprachlich-kul¬
turellen Reichtum Europas als zu bewahrendes Erbe und forderten weitgehende
Maßnahmen zum Schutz regionaler Minderheiten (Dalton 1994, 99 ff.; Krois-
senbrunner 1994, 98 ff.; Heraclides 1992, 5 ff.; Tabory 1992, 187 ff.; Hof¬
mann 1992, 14 ff.; Schlager 1991, 221 ff.).
Die erwähnten KSZE-Dokumente, die man auch heute noch als die grundle¬
genden Bezugspunkte der Bemühungen um verbesserten Minderheitenschutz
bezeichnen könnte, hatten nur einen grundlegenden Fehler: Sie waren rein po¬
litische Dokumente, ohne rechtliche Verbindlichkeit. Es war dann vor allem der
Europarat, der sich um die Erarbeitung rechtsverbindlicher völkerrechtlicher
Abkommenstexte zum Minderheitenschutz bemühte (Blumenwitz 1992, 55 ff.;
Hillgruber/Jestaedt 1993, 91 ff.; Wille 1994, 26 ff.; Klebes 1994, 176 ff.;
Schumann 1994, 87 ff.). Die sogen. ,Venedig-Kommission4, eine juristische
Expertengruppe zur Begleitung der rechtsstaatlichen Reformen in Ostmittel¬
und Osteuropa, wurde mit der Ausarbeitung des Entwurfes einer Minderheiten¬
schutzkonvention betraut. Das Ergebnis, der Entwurf der „European Conven¬
tion for the Protection of Minorities“ von 1991, war das weitreichendste und
beste, was zu diesem Thema bisher vorgelegt worden ist. Er versuchte sich an
einer - wenn auch eher restriktiven - abstrakten Definition des Begriffes
„Minderheit“, enthielt weitgehende und zum Teil erstaunlich präzise Gewähr¬
leistungen einzelner Rechte und sah - das war aus völkerrechtlicher Sicht mit
das Entscheidende - ein effektives System der Überwachung und Durchsetzung
durch eigene Konventionsorgane vor (Malinverni 1991, 157 ff.; Hofmann
1992, 18 ff.).
Es wurde schnell deutlich, daß das wichtigen Staaten viel zu weit ging. Dem
Entwurf wurde vorgeworfen, er enthalte Ansätze von Kollektivrechten für
Minderheitengruppen - ein Anathema für viele Staaten; weiters wurde ihm ent¬
gegengehalten, die Bestimmungen seien zu detailliert und daher unpraktikabel,
vor allem aber - und das markiert den eigentlichen Stein des Anstoßes, wenn
auch nur in der Richtung, nicht im Argument - das eigene Überwachungssy¬
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