einer deutschsprachigen Mehrheit und einer kroatischen und einer noch kleine¬
ren ungarischen Minderheit besiedelte Westen des Königreiches Ungarn als
jüngstes und am östlichsten gelegenes Bundesland an Österreich. Damit war der
von den slawischen Nachfolgestaaten Tschechoslowakei und Jugoslawien be¬
triebene panslawistische Plan der Schaffung eines durch die westungarischen
Kroatengebiete führenden verbindenden Korridors zwar von den Siegermächten
vereitelt worden, doch zerteilte die neugezogene Staatsgrenze nicht nur die
deutschen, sondern auch die kroatischen Siedlungsgebiete, indem Teile von
beiden bei Ungarn verblieben. Die Kroaten wurden zwischen rund 1525 und
1575 als Flüchtlinge vor den sie bedrängenden Türken von ungarischen Magna¬
ten aufgenommen und auf deren durch Kriege und Pest entvölkerten Landstri¬
chen zur Hebung der Wirtschaft angesiedelt.20
Die burgenländischen Kroatensiedlungen erstrecken sich in fünf Gruppen über
das ganze Land und bilden unterschiedliche Dialektgruppen, wofür die Ent¬
wicklungen des Fragepronomens ,was‘ als sto, ca und kaj sowie des urslawi¬
schen e zu e, ije oder i als Einteilungskriterien dienen.21 Im Norden befinden
sich mit rund 50% Bevölkerungsanteil um Parndorf - Kittsee im Bezirk Neu¬
siedl am See in 6 Dörfern und um Eisenstadt - Mattersburg in 13 Dörfern die
tschakawisch-ikawischen Haci und Poljanci (Heide- und Feldbewohner). In der
Landesmitte machen die ebenfalls tschakawisch-ikawischen Dolinci (Talbewoh¬
ner) in 12 Dörfern um Oberpullendorf, zu denen der ekawische Dialekt von
Weingarten hinzu kommt, rund 30% aus. Auf nur ungefähr 10% belaufen sich
die Vlahi (Walachen) in 12 und die Stoji (Stokawer) in 5 Dörfern um Oberwart
mit stokawisch-ikawischen Dialekten. Schließlich haben auch die Tschakawer
des Südburgenlands in 15 Ortschaften um Güssing ebenfalls nur einen Anteil
von rund 10% an der kroatischen Gesamtbevölkerung. Im Vergleich zu den
kroatischen Dialekten in Kroatien bzw. im ehemaligen Jugoslawien sind die
burgenländischen angesichts einer über vierhundertjährigen Trennung in
Sprachinsellage wesentlich altertümlicher und durch die langen deutschen
Kontakte reich an deutschen Lehnwörtern und Interferenzen. Auch das Ungari¬
sche hat seine Spuren hinterlassen. Da die burgenländischen Kroaten die sto-
kawisch-ijekawische Schrift- und Standardsprache in Kroatien nicht als Dach¬
sprache empfinden und anerkennen, ist seit den 1960er Jahren auf der mehr¬
heitlich tschakawisch-ikawischen Grundlage als Ausbausprache ein eigenes
Burgenländischkroatisch als überdachende Schrift- und Standardsprache ent¬
wickelt worden,22 das als solche in den entsprechenden Kommunikationssitua¬
tionen auch allgemeine Anwendung findet.
20 Zur Besiedlungsgeschichte vgl. besonders Breu 1970.
21 Vgl. Neweklowsky 1978.
22 Bis jetzt liegen vor: Burgenländischkroatisch-kroatisch-deutsches Wörterbuch 1982 und
Deutsch-burgenländischkroatisch-kroatisches Wörterbuch 1991.
345