oder, häufiger, einen Teil davon.11 In letzterem Fall werden über einem Konti¬
nuum auf der standardsprachlichen Ebene Grenzen gezogen, wo in der sprach¬
lichen Grundlage ursprünglich nur Übergänge waren. Damit ist das Kontinuum
auf der standardsprachlichen Ebene durch ein Nebeneinander deutlich unter¬
schiedener, klar abgegrenzter Einheiten ersetzt. Da die Grenzen der Standard¬
sprachen keine oder nur eine teilweise Rechtfertigung durch die sprachlichen
Gegebenheiten des Kontinuums erfahren, laden sie zu sprachenpolitischer Ein¬
flußnahme ein.
„Grenzgebiete”, das dürfte aus dem eben Gesagten deutlich geworden sein, ent-
bzw. bestehen in der Slavia aufgrund von Grenzen, die unterschiedlichster Her¬
kunft sind. Es gibt zunächst eine unbestrittene sprachliche Grenze, nämlich
diejenige des slavischen sprachlichen Kontinuums gegenüber anderen Kontinua.
Daneben gibt es eine zweite Form von sprachlichen Grenzen innerhalb des
Kontinuums, und zwar sind das die Grenzen zwischen den Standardsprachen.
Dazu kommt eine Vielzahl von nichtsprachlichen Grenzen. Am bedeutendsten
unter ihnen sind im vorliegenden Zusammenhang wohl die staatlichen Grenzen
(obwohl sie, wie gerade auch die jüngste Geschichte gezeigt hat und noch zeigt,
oft nicht sehr dauerhaft sind) sowie die Grenzen kultureller Einflußbereiche,
die im slavischen Bereich mit religiösen Begriffen bezeichnet werden (Slavia
orthodoxa, Slavia romana sowie ggf. Slavia islamica).12
Die folgende Übersicht (Abb. 1) und die Karte (Abb. 2) versuchen, in verein¬
fachter Darstellung Einheit und Gliederung der Slavia zu verdeutlichen.
11 Zum Begriff der Überdachung, der auf Kloss zurückgeht, vgl. Muljaöic 1989 und 1986,
55 ff.
12 Die Zuordnung zu den „Kulturkreisen” ist ebenfalls das Ergebnis einer längeren
geschichtlichen Entwicklung. Am Anfang stand wohl die Vorstellung einer einheitlichen
Slavia („Slavia cyrillo-methodiana” oder „Slavia Christiana”), die später aufgrund kirch¬
licher und politischer Entwicklungen auseinanderfiel. Dies ist heute noch augenfällig in
den verwendeten Schriften (obwohl weder sie noch die Religionszugehörigkeit der
Bevölkerung die verwickelten Verhältnisse angemessen widerspiegeln). Die Slavia isla¬
mica ist, da wesentlich jünger, als selbständige Einheit weniger ausgeprägt. Vgl. zu
„Slavia orthodoxa” und „Slavia romana” und die Diskussion um diese Begriffe Picchio
1972a und zusammenfassend Picchio 1993a, zu „Slavia Christiana” Zivov 1992.
276