der für die „Germanisierung von Metz“, die von anderen „als eine Art Sünde
wider den heiligen Geist der Nationalitäten, der jetzt Europa durchzieht“
betrachtet werde,135 einen Sprachwandelplan aufmacht, der von den
Dienstboten, den Handwerksgesellen, Tagelöhnern, Arbeitern, ja den Juden, die
jetzt schon in Metz aus deutschen Landen stammten, ausgeht.136 Diese sogar
mit Zahlen quantifizierte abenteuerliche ,Dienstmädchenrechnung1 steht freilich
einzig da, wie denn auch gerade bei diesem Kenner französischer Sprache und
Kultur der Ton, nicht der Inhalt des Satzes verblüfft, daß sich „mit ungemeiner
Klarheit in Elsaß und Deutschlothringen“ darstelle, „durch welche Mittel sich
der romanische Geist der Völker bemächtigt, und wie er auszurotten ist, und so
Gott will, gebrochen werden soll, soweit unsers Volks sieghafte Waffen reichen
und das scharfe Schwert deutscher Wissenschaft“.137
nationalités ... doit rester logique avec son principe“. Vgl. May (Anm. 114), S. 81. Und in
Deutschland gab es publizistische Stimmen, am intensivsten die ,Kölnische Zeitung\ die
von dieser Sünde gegen das Nationalitätsprinzip dringend abrieten. Vgl. Körner (Anm.
43), S. 69ff.
135 v. Löher (Anm. 10), S. 62f.
136 v. Löher (Anm. 10), S. 63ff.
137 v. Löher (Anm. 10), S. VI. Das Bündnis von Wissenschaft und Politik wird im
publizistischen Kampf teils staunend, teils neidvoll anerkennend auch von französischen
Autoren festgestellt, so etwa bei Schuré (Anm. 82), S. 37; Grad (Anm. 101), S. 385ff.
Fustel de Coulanges, Numa Denis: „De la manière d’écrire l’histoire en France et en
Allemagne depuis cinquante ans [1872]“, neu in: Questions contemporaines, Paris 1916,
S. 18f., sieht - was wohl Anzeichen eines Minderwertigkeitskomplexes und eines
mechanistisch-militärischen Deutschlandbildes sind - eine strategisch vorbereitete
Wissenschaftsoffensive auf deutscher Seite (vgl. auch Lévy Anm. 156): „L’histoire ainsi
pratiquée était à la fois un moyen de gouvernement et une arme de guerre ... On préparait
la guerre depuis un demi-siècle ... L’érudition allemande avait armé l’Allemagne pour la
conquête, avait désorganisé notre défense ...“. Ähnlich in einem anderen Aufsatz (ebd. S.
70): „Ils firent servir la philologie et l’ethnographie à démontrer que nos provinces les
plus françaises étaient leur propriété légitime“. Der französische Historiker regt eine neue
bewußt nationale Geschichtsschreibung Frankreichs an: „Tout est lutte autour de nous et
contre nous; il est inévitable que l’érudition elle-même s’arme du bouclier et de l’épée ...“
(S. 27). Vgl. weitere Zeugnisse bei Windelband, Wolfgang: „Der Nationalismus in der
französischen Geschichtsschreibung seit 1871“, in: Joachim Kühn (Hrsg.): Der
Nationalismus im Leben der dritten Republik, Berlin 1920, S. 207-239. Duggan, Joseph
J.: „Franco-German Conflict and the History of French Scholarship on the ,Song of
Roland“1, in: Patrick J. Gallacher/Helen Damico (Hrsg.): Hermeneutics and Médiéval
Culture, State Univ. of New York Press 1989, S. 97-106, hat gezeigt, wie sich die
.bewaffnete Wissenschaft’ in der Philologie entfaltete. Vgl. auch Gumbrecht, Hans
Ulrich: ,„Un souffle d’Allemagne ayant passé’. Friedrich Diez, Gaston Paris und die
Genese der Nationalphilologien“, in: LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und
Linguistik 14 (1984), H. 53/54, S. 37—78. Noch während der Belagerung von Paris im J.
1870 las der führende Mittelalterphilologe Frankreichs am Collège de France über ,La
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