Erst die Festlegung der deutsch-dänischen Staatsgrenze im Jahre 192015 brachte
die Entwicklung zu einem gewissen Stillstand. Sprachenpolitisch kam nunmehr
wieder das Freiwilligkeitsprinzip zum Tragen, das vor der Zeit der Nationalitä¬
tenkonflikte gegolten hatte. Inzwischen bildet sich freilich die Staatsgrenze zu¬
nehmend auch zu einer Sprachgrenze aus. Der Grund dafür ist die beherr¬
schende Stellung der Standardsprachen Hochdeutsch und Reichsdänisch, die in
ihrem jeweiligen amtlichen Geltungsbereich nachhaltig auf die Regionalspra¬
chen Einfluß nehmen (hochsprachlicher Transfer) und damit die ursprünglich
vorhandene sprachliche Einheit des Raumes unterbrechen. Eine Folge ist auch
der rapide Rückgang der Volkssprachen.16 Mittlerweile liegen südlich der
Grenze exklusiv hochdeutsche Gemeinden vor; auch steht die alte süderjütische
Mundart, die vormals landübliche Umgangssprache des Raumes, absehbar vor
dem Sprachentod.
III
Drei sprachenpolitische Grundsätze sind im Laufe der neuzeitlichen Staatsge¬
schichte in der deutsch-dänischen Grenzregion zum Tragen gekommen. Auszu¬
gehen ist vom
Diese wurde durch ein Plebiszit legitimiert. Über die Modalitäten der Volksabstimmung
(Abstimmungszonen, en bloc-Abstimmung in der 1. Zone, Abstimmung nach Gemeinden
in der 2. Zone), die Stimmbeteiligung und die Ergebnisse s. Hansen: „Grenze“ (1993) S.
36-38 mit Abb. 7; Runge: „Dänische Minderheit“ (1993), S. 97-100; Fink (Anm. 2), S.
193, passim. Abdruck der einschlägigen Vertragsartikel 109-114 bei Harbeck (Hrsg.):
Minderheiten (1993), S. 207 - 209.
16 Seit dem 19. Jh. existieren zahlreiche ein- und mehrdimensionale Sprachenzählungen, die
den Sprachenwechsel südlich der Grenze sowie den Rückgang der Volkssprachen
flächendeckend bzw. von Ort zu Ort festhalten: siehe etwa Kohl: Deutsche und dänische
Nationalität (1847), S. 119-167; Hähnsen: „Denkschrift“ (1928), S. 393—416; Adler:
„Volkssprache“ (1891) und (1915); Selk (Anm. 4) sowie - zur Sprachenkenntnis der
Schüler - Petersen: „Sprachenfrage“ (1962). Über die heutige Sprachsituation, den Um¬
fang der jeweiligen Sprechkompetenz informieren einzelne Orts- und Gebietserhebungen:
siehe etwa zu Rodenäs/Wiedingharde Spenter: „Mehrsprachigkeit“ (1977), zu Braderup/
Süderlügum Carstensen (1983), S. 147-152, oder zu Achtrup/Karrharde Petersen: Dansk
eller Tysk (1975). Nach der letzten flächendeckenden Enquete (indirekte Zufallsstich¬
probe) zur Sprachenkenntnis und zum Sprachgebrauch, die 1987 von der Niederdeut¬
schen Abt. der Universität Kiel durchgeführt wurde, beherrschen (aktiv) südlich der
Grenze ca. 10% der ansässigen Bevölkerung gut Hochdänisch, etwa ebensoviele noch
Süderjütisch und immerhin 63% Plattdeutsch; das Friesische ist mit 4,5% Sprecherantei¬
len vorzugsweise nur in der Wiedingharde vertreten.
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