3. Die Verdrängung von Bj durch B2 aus dem Bereich der mündlichen
Kommunikation erfolgt in relativ kurzer Zeit; sie ist nach höchstens einer
Generation vollständig und irreversibel.
4. Die Widerstandskraft von B\ gegen B2 ist im Bereich der schriftlichen
Kommunikation am größten; die völlige Verdrängung der spanischen
Schriftsprache durch das geschriebene Papiamentu ist kein Gegenbeispiel,
weil die Einführung des Spanischen auf halbem Wege stehengeblieben
war.
5. Wenn die sprachlichen Ähnlichkeiten zwischen Bi und B2 im politischen
Bereich als Argument für Gebietsansprüche angeführt wurden oder wer¬
den, wird beim Ausbau von B2 darauf geachtet, eine möglichst große Zahl
von Abweichungen gegenüber Bj herbeizuführen (Korsisch, Grödnerisch,
Letzebuergesch); anderenfalls ist Bi problemloses Vorbild für den Ausbau
(Papiamentu, Seychellenkreolisch).
6. Eine wichtige Voraussetzung für die Festigung der Position von B2 ist die
Verankerung im Schulunterricht; im Extremfall, der in Korsika zumindest
nahe ist, kann B2 auf diese Weise als gemeinschaftskonstituierendes Sym¬
bol erhalten werden, obwohl es aus dem Bereich der Alltagskommunika¬
tion verschwindet.
7. Gesetzliche Bestimmungen beeinflussen das Sprachgleichgewicht nur
marginal. Auf Cura^ao hat das Papiamentu eine starke Position, obwohl es
keinerlei juristische Verankerung hat; die Erhebung des Seychellenkreoli¬
schen und des Letzebuergeschen zur Nationalsprache hat kaum reale
Auswirkungen.
8. Eine weitaus wichtigere Rolle als die gesetzlichen Bestimmungen spielt
der Prestigekanon der Sprecher und des Umfeldes: Gerade die Absteckung
der Geltungsbereiche von B^ und B2 werden in hohem Maße von den Ur¬
teilen über die Nützlichkeit, Würdigkeit oder auch Gefährlichkeit der bei¬
den Sprachformen beeinflußt.
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