Full text: Grenzen und Grenzregionen

rang infolge des synkretistischen Charakters des fränkischen Glaubens mit nur 
geringen Wandlungen über einen längeren Zeitraum beibehalten wurde. Nach die¬ 
sem Totenritual - es sei neutral mit Totenritual A bezeichnet - wird der oder die 
Verstorbene in der Tracht der Lebenden aufgebahrt. Man erkennt dies an der un¬ 
terschiedlichen Abnutzung der metallenen Trachtbestandteile, deren Grad häufig 
mit dem anthropologisch feststellbaren Alter korreliert. Es handelt sich dabei of¬ 
fensichtlich um die Festtagstracht. Sorgfältig hat man weiterhin darauf geachtet, 
daß nicht nur die Bekleidung dem Rang der Verstorbenen in der Gesellschaft, 
mithin auch der des Jenseits entsprach, sondern daß auch andere Dinge, die zum 
"standesgemäßen" Auftritt gehörten4, daneben gelegt wurden und dann bei der Be¬ 
erdigung auch im Grab verblieben. Bei einem Mann gehören dazu Waffen, die al¬ 
lerdings in ihrer Zusammensetzung abhängig vom Reichtum der Familie variieren. 
So gehört z.B. in dem Grab 81 von Köln-Müngersdorf5 dazu das zweischneidige 
Schwert (Spatha), das einschneidige Schwert (Sax), die Lanze und der Schild, 
sowie pars pro toto für ein Pferd ein Pferdegeschirr. Außerdem brauchte der 
Verstorbene auch Gerät für die Toilette und andere Verrichtungen; beigegeben 
wurden ihm deshalb ein Kamm, eine Pinzette, zwei Messer, eine Schere, ein Feu¬ 
erstahl und ein Feuerstein6. 
Eine Frau - auch hier ein Beispiel aus dem Gräberfeld von Müngersdorf - wurde in 
Gewändern mit Trachtbestandteilen, die gleichzeitig Schmuckcharakter hatten, 
aufgebahrt. So wurde der Frau in Grab 1057 im frühen 6. Jahrhundert ein Kleid 
angelegt, das mit zwei Vogelfibeln verschlossen war. Darüber kam ein Mantel, der 
gegürtet war, wie die bronzene Schnalle zeigt, und der zusätzlich mit den 
untereinander angeordneten Bügelfibeln8 zusammengehalten wurde. Von diesen 
Fibeln ging ein sogenanntes Gehänge aus, d.h. ein oder mehrere Bänder aus Stoff 
oder Leder, an denen Perlen zur Zier und ein Messer, vielleicht in einer Tasche, 
sowie ein wirtelförmiger Anhänger aus Glas als Amulett befestigt waren. Weitere 
Schmuckstücke waren ein Paar Ohrringe, eine Perlenkette und ein silberner 
Armring. Diese Frau wurde auch mit Speise und Trank für den Weg ins Jenseits 
versorgt. Das Gefäß mit Speise, die ehemals auf einem Brett darübergestellte 
Glasschale mit einem Getränk und die kleine Flasche ebenfalls mit Getränk oder 
aber mit einem Pflegeöl o.ä. gefüllt, wurden sicherlich erst bei der Beisetzung zu 
Füßen der Verstorbenen angeordnet. Daß dem ungefähr ein Jahrhundert später 
beigesetzten Mann, der als Beispiel gewählt wurde, keine Wegzehrung in das Grab 
mitgegeben wurde, ist bereits eine Folge der intensiveren Christianisierung. 
Dieses Totenritual war weiträumig verbreitet, nicht nur bei den Franken in den 
Rheinlanden, sondern auch bei den lose in das Merowingerreich eingegliederten 
4 Dies ist bereits betont worden von Müller, Das alamannische Gräberfeld von Hemmingen, S. 135f. 
5 Fremersdorf, Köln-Müngersdorf, S. 145f. Taf. 13, 10-13. 14-19. 23-24. 30. 33-36; Grabplan Taf. 76. 
6 Ebd, Taf. 13,25. 39-44. 
7 
Ebd. S. 149f. Taf. 18, 105 und Grabplan Taf, 79 (die Schmuckstücke sind vergrößert wiedergegeben). 
g 
Gemäß der überzeugenden Befundanalyse von Clauß, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zen¬ 
tralmuseums Mainz 34 (1987), S. 491ff. 
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