auch an Kupferzeichen im Fluß (bonnes de coyvre)88. Der maire Thierri de
Rinel, der über präzise Kenntnisse des Flußverlaufs verfugt, erklärt sogar: Wenn
jemand ein Seil (ung cordet) vom Val de l'One, wo die Grenzzeichen gesetzt
seien, zur Maasmitte in Verdun spanne, laufe dieses geradeaus (le cordel seroit
tout droit), ebenso sei es zwischen dem Val de l’One und der Maas bei Montigny-
le-Roy89 90. Des Meiers aufregende Aussage über einen linearen, meßbaren
Grenzverlauf zielt überdies auf zwei gleich lange Streckenabschnitte nach Norden
(Richtung Verdun) und Süden (Richtung Montigny-le-Roy). Dem
Untersuchungsbeamten, der an dieser Aussage Zweifel hegte, ergab sich jedoch
bei eigenen Nachprüfungen: Et est vray, que, qui trairoit ung cordel du moitant
de la dite riviere de Verdun, il yroit ferir de droite ligne aux dictes bonnes du val
de l'Onne et d'illec vers Montigny le Roy, dont sault la dite reviere de Muese. Et
tout ce certiffie je estre vrayP0.
Der gesamte Sachverhalt bedarf noch kritischer Überprüfung im Detail91;
gleichwohl dokumentiert er schon jetzt, daß mindestens Vorstellungen von
linearer Grenzziehung und Steinsetzung im deutsch-französischen Grenzraum
während des 14. Jahrhunderts existierten und durchaus als realisierbar angesehen
wurden.
*
Die Ergebnisse unserer Skizze sollen knapp zusammengefaßt werden:
1. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Groß-, Klein- und Kleinstgrenzen,
den erst die Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts entschieden betont
hat, scheint nicht belegbar zu sein.
2. Lineare Formen sind seit der Spätantike und dem Frühmittelalter auch für
Groß- beziehungsweise Territorial- und Reichsgrenzen bezeugt. Möglicher¬
weise sind solche Grenzziehungsformen jedoch relativ selten verwendet
worden.
3. Lineare Grenzziehung im Mittelalter war grundsätzlich in der Lage, sich
an bestimmten Markierungen zu orientieren und die Abstände zwischen
ihnen in bewußter Form mit gedachten Linien zu überbrücken. Wir würden
heute mit dem Begriff ''Luftlinie" operieren.
4. Seit dem 13. Jahrhundert wird die Form linearer Grenzziehung in
Ostmitteleuropa und besonders vom Deutschen Orden intensiv genutzt, sie
ist anderen Teilen Europas jedoch nicht fremd.
88
Kern (wie Anm. 85), Nr. 278 - Sog. "Französische Enquete über die bei der Zusammenkunft K.
Albrechts und K. Philipps IV. gesetzten deutsch-französischen Grenzmäler" von 1390 Sept. 14ff.
(S.207-210).
89 Ebd., S.208.
90 Ebd., S.210.
91
Ausführlichere Darlegungen sind von Thomas Trapp (Saarbrücken) zu erhoffen, dem ich für Anre¬
gungen und Kritik danke.
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