erstens auf "öffentlich errichtete Markierungen" (institutis publice metis
distinximus - heißt es im Diplom) und zweitens auf eine sorgfältige schriftliche
Beschreibung: Sie beginnt bei einem Berg, geht bis zum Zusammenfluß zweier
Bäche, dann bis zu einer Furt und ab illo vado recta estimationis linea terminus
idem extenditur usque ad ... (usw.)45.Insgesamt werden nur fünf topographische
Fixpunkte genannt, zwischen denen lineare Grenzführung beziehungsweise eine
Ausrichtung in Luftlinie zwingend anzunehmen ist. Die Angabe einer recta
estimationis linea unterstreicht diese Interpretation sehr nachdrücklich!
Barbarossas Diplom belegt damit, daß gedachte gerade Linien für große Herr-
schaftsräume und vor allem auch in strittigen Verhältnissen als realisierbare
Formen der Grenzziehung gelten konnten und Anwendung fanden.
Lineare Grenzführung kannte man auch in linksrheinischen Reichsteilen. Für
einen ersten Beleg soll eine Urkunde des Trierer Erzbischofs Poppo von 1023
herangezogen werden, die einen Vergleich zwischen dem Erzbischof und Adligen
des Bidgaus wegen eines durch Kaiser Otto II. 973 geschenkten Forstes fixierte.
Die Grenzen des zwischen beiden Parteien strittigen Forstes wurden 1023
sorgfältig nach naturräumlichen Vorgaben beschrieben, also unter Orientierung
an Bächen, Flüssen und Ortschaften, die jeweils angeführt wurden46. Einmal
wurde dieses Prinzip jedoch durchbrochen: Zunächst galt noch der Markenbach
(sic!) als Grenze usque in publicam plateam et per eam recto itinere totam
vallem deorsum bis zur Olk. Da bei dieser Beschreibung kaum mit einer
Bedeutungsdublette platea = iter = Straße zu rechnen ist, dürfte mit der Angabe
recto itinere die "schnurgerade" Ausrichtung der publica platea durch das Tal
gemeint sein.
Im Jahre 1196 beurkundete der Herr von Bitsch die Grenzbeschreibung seiner
Grafschaft: Der ambitus terminorum orientierte sich an signifikanten
Geländepunkten und an Siedlungen47. Dabei wurden die Zwischenabstände
beschrieben: et sic directa linea usque Nunhoven; hinc per montes et valles in
directitudine usque Smalendal et sic usque ad stratam Gerbertr, dann wieder in
directo und noch einmal in directitudine usw.; von Brenschelbach ging die
Grenze gar mitten über den Marktplatz von Neuhombach (hic vero per medium
forum in Horenbach).
Mit der Kaiserurkunde von 1179 und der Bitscher Privaturkunde von 1196 ist
bereits jene Zeitphase erreicht, in der nach allgemeiner Auffassung sich im
Deutschordensgebiet die lineare Grenzziehung aus dem Grenzsaum entwickelt
haben soll. Der früheste Beleg für slawisch granica, aus dem sich das Lehnwort
"Grenze" herleitet, stammt bekanntlich aus einer Urkunde Herzog Kasimirs I.
45 Ebd., (S.342, Zeile 39f.).
46 Ausgangspunkt ist DO II, Nr. 39 (S.49) von 973 (Kopie aus der Mitte des 14. Jh.); Poppos Urkunde
von 1023 im Mittelrheinischen Urkundenbuch, Bd. I, Nr.299, S.348 (Originalüberlieferung). - Diesen
Beleg verdanke ich Herrn Roland Puhl, Saarbrücken.
47 Ediert von Mone," Urkunden über Lothringen vom 12. bis 16. Jahrhundert", in: ZGO 13 (1861), S.56f.
(Nr. 1 - nach dem Original im Archiv zu Darmstadt).
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