Eine Entsprechung liegt in Ottos III. urkundlicher Fixierung der Ostgrenze des
Bistums Meißen aus dem Jahre 996 vor30. Die Urkunde stand lange unter Fäl¬
schungsverdacht, der aber durch Helmut Beumanns und Walter Schlesingers
subtile "Urkundenstudien zur deutschen Ostpolitik unter Otto III." ausgeräumt
ist: "Das Diplom hat als echt zu gelten." Die beschriebene Ostgrenze sollte u.a.
von der Oderquelle quasi recta via zur Elbquelle führen, setzte also "die Luftlinie
zwischen zwei bestimmten Geländepunkten als Grenze" an31.
Wenig später, 1002 oder 1007, soll Herzog Boleslaw der Tapfere von Polen "die
unbezwungenen Sachsen ... mit solcher Tapferkeit gezähmt (haben), daß im
Flusse Saale mitten in ihrem Lande eine eiserne Grenzsäule {meta ferrea) das
Gebiet Polens begrenzte"32. Diese Nachricht aus der zwischen 1113 und 1117
geschriebenen Chronik des Gallus Anonymus, die in der polnischen Tradition
glorifiziert und legendär ausgestaltet wurde, hat die moderne Forschung gern
belächelt33. Da aber gelegentlich andere Reichsgrenzen in einem Flußbett mar¬
kiert wurden, sollte man auch eherne Grenzsäulen wieder beachten. Die biblische
Steinsetzung mitten im Jordanbett (Josua 4,9) mag auch als real
nachvollziehbares Modell gegolten haben34. Ob aber mit meta regelmäßig eine
Grenzsäule, ein Grenzstein, gemeint ist, bleibt offen - offen damit auch, welche
konkrete Pflicht dem Grafen von Toul zugedacht war, als 1069 urkundlich u.a.
fixiert wurde: Stratam publicam et metas debet custodire comesi5. Könnte man
an die Markierung von Grafschaftsgrenzen denken?
Zu 1133 liegt dann ein klares Zeugnis für einen Grenzstein vor*, der die Diözesen
Laon und Soissons trennte36. Nach einer Urkunde von 1138 war der Friedensbe¬
zirk um das Kloster Prémontré "nach genau bezeichneten Punkten und den vier
30DOIII,Nr. 186 (Frankfurt, 996 Dez. 6).
3* Helmut Beumann und Walter Schlesinger, "Urkundenstudien zur deutschen Ostpolitik unter Otto III.",
in: Archivfür Diplomatik 1 (1955) S.I32-256. - Neudruck in: Walter Schlesinger, Mitteldeutsche
Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters (Göttingen 1961), S.306-407. -Beide
Zitate S.323 und S.308.
32 Galli Anonymi Chronicae et Gesta Ducum sive Principum Polonorum, ed. K. Maleczynski
(Monumenta Poloniae Historica, nova series, Bd. II, Krakau 1952), c.6.
33 Gotthold Rhode, "Die ehernen Grenzsäulen Boleslaws des Tapferen von Polen. Wege einer Legende",
in: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas NF, Bd. 8 (1960), S.331-353. - Zwischen der Angabe
des Gallus Anonymus und der Legendenbildung, die bis weit in die Moderne reicht, sollte scharf
getrennt werden.
34 Josua 4,9: "Und Josua richtete zwölf Steine auf mitten im Jordan, da die Füße der Priester gestanden
waren, die die Lade des Bundes trugen; die sind noch daselbst bis auf diesen Tag." Vgl. die
eindrucksvolle bildliche Darstellung in: Illuminierte Holzschnitte der Luther-Bibel von 1534, hg.
Konrad Kratzsch (Weimar 21983), S.31.
Ed. Jean Schneider, in: Revue historique de la Lorraine 86 (1949), S.76IT.
Dietrich Lohrmann, Kirchengut im nördlichen Frankreich. Besitz, Verfassung und Wirtschaß im
Spiegel der Papstprivilegien des 11.-12. Jahrhunderts (Pariser Historische Studien 20), Bonn 1983,
S.217 n.4 aus einem ungedruckten Chartular des 13. Jh. aus der Stadtbibliothek von Soissons (ms.7).
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