Full text: Grenzen und Grenzregionen

stellen wir keinen grundsätzlichen Unterschied fest. Man kann Febvre beistimmen, 
wenn er schreibt (S. 32): "Staatliche Angelegenheiten unterschieden sich nicht 
grundsätzlich von denen der Privatleute, und das Territorium des Staates 
erheischte - etwa um Grenzen zu bezeichnen, die Privatgrenzen gleich kamen - 
keinerlei eigene, von der der Abteien oder der Städte unterschiedene 
Terminologie"; cfr. it. confine. 
b) Die meisten der untersuchten Grenzbezeichnungen sind lateinischen Ursprungs: 
finis, confinis, confinium, termen, terminus, limes. Aber auch Substrat- und 
Superstratvölker haben ihre Spuren bei den Grenzbezeichnungen hinterlassen: die 
Gallier mit broga und *randa, die Langobarden mit sinaita und finaita, die 
Franken mit marka. Dazu kommen innerromanische Bildungen wie ternifino in 
der Toskana und vor allem die Ableitung zu frons, fr. frontière, it. frontiera, span. 
frontera. 
c) Es scheint mir auch typisch, daß bei modernen Sprachaufnahmen keine Un¬ 
terscheidung gemacht wird zwischen Grenze im allgemeinen als abstrakter Begriff 
und konkretem Grenzzeichen wie Grenzsteinen, Grenzpfählen, Grenzfurchen, 
Grenzgräben, Grenzlinien, Grenzstreifen oder Grenzmauem. Diese Polysemie ist 
auffällig bei confine, südit. sinaita, it. termine und limite. Glegentlich wird eine 
Differenzierung mittels Numerusdifferenzierung geschaffen: / limiti "Grenze", 
piem. lümi m. "Grenzhag". Auffallend sind auch die Zusammenhänge zwischen 
den Bezeichnungen für "Grenze" und "Seil, mit dem möglicherweise eine Grenze 
markiert wurde", z.B. finislfunis, ora "extrema pars terrarum" und ora "funis" oder 
gr. 7teipap "Grenze" und "Seil", (cfr. Bertoldi 1948). In den gleichen 
Zusammenhang gehört das bereits erwähnte sarte vel butinas aus der 'Lex 
Ripuaria'. Karl Finsterwalders Beitrag 'Saum und 'Faden, Geländeformen und 
Grenzlinien in volkstümlichen Namen zeigt, wie ergiebig mittelalterliche 
Grenzbeschreibungen für eine lexikalische Auswertung sein können. Dabei geht es 
vorwiegend um Bezeichnungen linearer Grenzen in Österreich und im Südtirol. 
Die Vorstellung eines "gespannten Fadens" als Grenzbezeichnung trifft sich mit 
deijenigen von lat. ora und funis. 
d) Bei ahd. marka stellen wir einen Bedeutungswandel von "Grenze" > 
"umgrenztes Land, Grenzmark" fest; die gleiche Entwicklung findet sich bei mlat. 
terminatio "Grenze" und "Land als Grundherrschaft:" (Schmidt-Wiegand, S. 350) 
oder bei gall. broga verglichen mit bret. bro "pays, contrée". 
e) Bezeichnungen, die nur als Abgrenzungen von Grundstücken Verwendung 
finden, werden in diesem Zusammenhang nicht behandelt. Dazu gehören z.B. 
Formen, die auf galloromanische botina > fr. borne zurückgehen, oder das 
entsprechende Verbum mlat. disboni are "Grenzzeichen setzen" (Ahokas s.v. 
disboynacione) oder afr. murgier "Steinhaufe" (< *muriciarium, FEW 6/III, Sp. 
229). 
Da die Grenzziehungen zwischen Grundstücken auch mittels Hecken, Zäunen, 
Baumreihen, Wegen, Wasserläufen, Geländekuppen oder Gebirgszügen vorgenom¬ 
men werden, müßten auch derartige Bezeichnungen berücksichtigt werden. André 
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