verändernden ("permutierenden") Sprachgrenzzonen sprechen müssen, die
kartographisch nur annähernd dargestellt werden können. So hat H. Walther bei der
Konfrontation siedlungshistorischer und onomastischer Forschungsergebnisse die
Landschaft Daleminze in nicht weniger als elf Siedlungsbereiche gegliedert, wobei
die Flüsse und Bäche dieses Raumes wichtige Leitadem der Siedlung waren. In
diesen Landschaften herrschten ursprünglich seit der slawischen Landnahme (etwa
im 6. Jahrhundert n.Chr.) ältere Namentypen vor, z.B. Bildungen mit dem schon im
Urslawischen bekannten und dann weiter verwendeten Possesivsuffix -y-, z.B.
Radebeul aus altsorb. *Radobyl' zum zweigliedrigen Personennamen (Vollnamen)
*Radobyl oder auch zu Kurznamen, etwa mit dem Suffix -an, also z.B. Zöthain aus
altsorb. *CStan zum PN *C$tan, mit späterer Anlehnung an die deutschen ON mit
dem Grundwort -hain (wohl nur schriftsprachlich), ebenso Bildungen mit dem
patronymischen Suffix -ici bzw. -ovici, das man mit dt. -ingen bzw. -ungen (Typ
Meiningen, Siegmaringen usw.) vergleichen kann, z.B. Mertitz aus altsorb. *Mirotici
zum PN *Mirota usw., wobei es sich um einen besonders häufigen Namentyp
handelt, der vor allem slawischen Kleinsiedlungen eigen war (Körner 1972). Auf
diese Weise werden die Altlandschaften namengeographisch charakterisiert, und die
Isoglossen der bestimmten älteren Namentypen sind gleichzeitig Festpunkte für eine
Absteckung der Grenzzonen. Innerhalb eines solchen Gebietes werden dann in
jüngerer Zeit die Altsiedelräume einerseits mit überwiegend jüngeren slawischen
(altsorbischen) Namentypen aufgefüllt und durchsetzt, an den Rändern evtl, auch die
Zonen leicht erweitert, andererseits kommen deutsche Namentypen hinzu,
die die einsetzende Erschließung des Landes durch deutsche Bauern, die deutsche
bäuerliche Landnahme, widerspiegeln, so daß auf diese Weise dann an den Rändern
der Zone und auch im Innern der gesamten Landschaft ein ethnisch durchmischter
Raum entsteht, so daß sich das häufiger gebrauchte Bild des Schachbrettes
aufdrängt, das vielleicht wenigstens annähernd die komplizierten ethnolinguistischen
Verhältnisse in den mittelalterlichen Sprachgrenzzonen veranschaulichen kann.
Dabei darf vom sprachlichen Charakter der Namen nicht gradlinig auf den
ethnischen geschlossen werden. In den Siedlungen mit slawischen Namen wohnten
bekanntlich mit der Zeit Deutsche und umgekehrt; es sind Dörfer mit deutschen
Namen, aber slawischen Flurnamen hinreichend bekannt. Ähnliches muß von den
Personennamen gesagt werden, deren Aussagekraft für die Ethnika mit noch
größerer Vorsicht betrachtet werden muß. Im altsorbisch-deutschen Überschicht¬
ungsgebiet herrschen nicht jene Verhältnisse, wie wir sie z.B. aus dem deutsch¬
tschechischen Raum kennen. Dort hat man Schlüsse aus dem Verhältnis zwischen
deutschen und tschechischen Ratsherren auf die ethnische Situation der betr. Städte
gezogen; in die sächsischen Städte haben kaum sorbische Ratsherren Einzug
gehalten; das Sorbentum siedelte auf dem Lande, kaum in den Städten - von
Ausnahmen in der Oberlausitz abgesehen (Schwarz 1965/66). Das Bild der
Sprachgrenzzone - z.B. der Nachfolgelandschaft von Daleminze - kann noch durch
zusätzliche Indizien vervollkommnet werden, ohne daß es in den Grundzügen verän¬
dert werden könnte. Supplementäre Informationen können aus folgenden Bereichen
gewonnen werden:
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