13. Jahrhunderts in Gang gekommenen, von Norden aus getragenen Siedlungsaus¬
bau berührt, durch den deutsche Sprachinseln und Streusiedlungen südlich von
Salum bis zum Avisio entstanden, der als "Eveys" sogar als Sprachgrenze emp¬
funden wurde und zu dieser Zeit auch die Grenze zwischen der Grafschaft Tirol
und dem Hochstift Trient bildete; er betriöt den Kleinraum zwischen St. Micha¬
el/St. Michele und dem Nachbarort Mezzolombardo. Ab der Zeit um 1600 ist auch
diese kleinräumige Ausweitung nach Süden wieder rückläufig, blieb Episode54.
Nicht unwichtig ist auch der germanische Orts- und Flumamenbefund (sala, halla,
harimann, lägar, warda usw.): Belege für das gesamte Etschtal zwischen Meran -
Bozen - Trient fehlen nahezu gänzlich, was auch deswegen verwundert, da diese
vor allem im romanisch geprägten Nonsberg, teilweise auch im Überetsch, in
Mittelgebirgslagen und Hochtälern durchaus nachgewiesen sind, jedoch kaum vor
1000. Die zahlreichen trentinischen Toponomi, die nicht unmittelbar eine lango-
bardische Siedlung bezeugen, sondern auf Appellativen beruhen wie binda, braida
usw. dürften daher hochmittelalterlichen Ursprungs oder noch jünger sein55.
Ganz anders verlief hingegen die Entwicklung in den im 7. Jahrhundert schon von
Bajuwaren besetzten Tälern von Eisack- und Rienz (Pustertal) samt Seitentälern
sowie ab der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts nun nach Süden in den nördlichen
Teil des langobardischen Trientiner Dukats ausgreifend auch im Etschtal zwischen
Bozen und Meran; die Ortsnamen lassen erkennen, daß diese Gebiete spätestens
im 11. Jahrhundert weitgehend eingedeutscht waren, ein Prozeß, der schon im 8.
Jahrhundert voll im Gange war und seinen Abschluß im 11.-13. Jahrhundert fand,
nun das Burggrafenamt, das Überetsch und den Vinschgau bis etwa Laas voll ein¬
schließend (Abb. 12); romanische Sprachinseln halten sich nur noch im oberen
Vinschgau und östlich des Eisack an der Grenze zum ladinischen Sprachraum.
Grundlage und Rückgrat dieser vor allem seit dem 9./10. Jahrhundert auch in den
Schriftquellen gut faßbaren, vermutlich aber schon zuvor einsetzenden intensiven
Kolonisierung und der damit verbundenen 'Eindeutschung' waren gleichermaßen
bairische Adelsgeschlechter und geistliche Gemeinschaften. Entscheidend hierfür
war also der 'Verklammerungseffekt' zwischen dem bairischen Altsiedelland im
Norden und dem neu gewonnenen, noch romanisch strukturierten Siedelland im
Süden, das ab dem 8. Jahrhundert sukzessive über das schon im 7. Jahrhundert
bairisch gewordene Eisacktal weiter nach Süden vorgeschoben wurde56.
Zusammenfassend läßt sich feststellen: Die A wyga/igsbedingungen in den beiden
durch Langobarden und Bajuwaren überschichteten Grenzregionen in der mittelal¬
pinen Romania sind prinzipiell zunächst gleich; daß die hier zwangsläufig in
54 Zuletzt mit Literaturhinweisen: Riedmann, Tirol, S. 49 lf; ferner z.B. Kühebacher, Geschichte der
Sprachbewegungen, S. 274ff.
55 Mastrelli Anzilotti, Toponomi, S. 227-242 mit Karten I-XII.
56 Zuletzt: Riedmann, Tirol, S. 268, 277ff., 285ff., 368f., 490AF.; Stürmer, Funktionen des kirchlichen
Fernbesitzes, S. 389fiF.; Tirol-Atlas, Karten G5-9 mit den Kommentaren von Finsterwalder, Ortsnamen,
S. 249ff. und ders., zuletzt Tiroler Heimat 39, 1975, 195fF. u. 227ff.; dazu: ders., Tiroler Heimat 26,
1962/63, S. 77-112; Pfister, Popolazione, S. 62ff.
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