Die westliche, durchgezogene Linie stellt die Sprachgrenze dar, wie sie für die Zeit
um 1500 rekonstruiert werden kann30; die östlich davon verlaufende unterbro¬
chene Linie stellt die heutige, zumeist nur um wenige Kilometer verschobene
Sprachgrenze dar31. Eine naturgeographische Ursache für den Verlauf ist nicht
auszumachen. Die Karte enthält ferner - schraffierte Gemarkungen - östlich der
Sprachgrenze von ±1500 alle Ortsnamen romanischer bzw. vorgermanischer Ety¬
mologie im später deutschen Sprachgebiet, und westlich der Sprachgrenze alle
Ortsnamen germanischer Etymologie im später französischen Sprachgebiet. Die
Karte gibt damit einen ersten Eindruck von der Gemengelage germanischer und
romanischer Sprachinseln und Sprachgebiete in der Zeit vor dem Festwerden der
Grenze wieder. Herausgehoben seien dabei für die vorgermanischen Ortsnamen
östlich der Sprachgrenze die Verdichtung im Norden, die auf die Nähe der später
zu besprechenden Trierer Moselromania weist, und die korridorartigen Extensio¬
nen von Metz nach Norden entlang der römischen Straße nach Trier, nach Osten
entlang der römischen Straße nach Mainz und entlang der römischen Straße an
den Rhein bei Worms, die über Saarbrücken führte, was auch auf der den Saar¬
raum näher fokussierenden Karte 7 deutlich wird; schließlich die Extension nach
Südosten entlang der römischen Straße nach Straßburg und in das wichtige, von
Vici durchsetzte Salzgewinnungsgebiet an der oberen Seille. Für die germanischen
Ortsnamen westlich der Sprachgrenze sei auf das Verdichtungsgebiet südöstlich
von Metz aufmerksam gemacht, das dennoch dem offenbar dominanten Einfluß
des romanischen Zentrums Metz erlag. Nicht bewerten darf man dabei einige
Lehnnamen (germanischer Etymologie) in unmittelbarer Nähe von Metz, die
nichts für germanische Siedlung beweisen.
Natürlich lassen sich germanische Ortsnamen, die auf germanisch-fränkische
Siedlung verweisen, auch weiter westlich, an der Maas bei Verdun, in den Arden¬
nen Belgisch-Luxemburgs und noch weiter westlich feststellen, freilich in weitaus
geringerer Anzahl, als ältere Forschung annahm32. Da sie für den späteren Verlauf
der deutsch-französischen Sprachgrenze keinen erkennbaren Einfluß hatten, sollen
sie hier nicht weiter behandelt werden.
10
Vgl. Hans Witte, Das deutsche Sprachgebiet Lothringens und seine Wandlungen von der Feststellung
der Sprachgrenze bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 1884.
Ql
Vgl. Maurice Toussaint, La frontière linguistique en Moselle, Paris 1955.
Aus älterer Forschung vgl. neben den in Anm. 1 genannten Arbeiten vor allem: Franz Petri, Germani¬
sches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich, 2 Bde., Bonn 1937; Emst Gamillscheg, Germani¬
sche Siedlung in Belgien und Nordfrankreich {- Abh. d. Preuss. Akademie d. Wiss., Jg. 1937, phil.-
hist. Kl. Nr. 12), Berlin 1938; Ders., Romania Germanica. Sprach- und Siedlungsgeschichte der
Germanen auf dem Boden des alten Römerreiches, Bd. 1, Berlin z1970; Werner Blochwitz, Die ger¬
manischen Ortsnamen im Département Ardennes. Ein Beitrag zur Frage der Frankensiedlung in
Nordfrankreich, Hamburg 1939; Walther von Wartburg, Umfang und Bedeutung der germanischen
Siedlung in Nordgallien im 5. und 6. Jahrhundert im Spiegel der Sprache und der Ortsnamen, (=
Deutsche Akademie d. Wiss. zu Berlin, Vorträge und Schriften 36), Berlin 1950. Zur Kritik an den For¬
schungsansätzen vor allem Pétris vgl. Haubrichs (wie Anm 1) mit weiterer Lit.
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