Full text: Grenzen und Grenzregionen

Regionen nordwestlich des Thuner Sees, südlich des Zürichsees bis in den Kanton 
Glarus und südlich des Bodensees am Hochrhein, Nester mit unverschobenen Na¬ 
men liegengeblieben sind, die romanische Sprachinseln signalisieren. Diese 
Sprachinseln - gelegentlich an römische Kastelle angelehnt - weisen auch die be¬ 
reits aus dem Salzburger Raum bekannten spätromanischen Lauterscheinungen 
wie Sonorisierung (Beispiele Nr. 16 und 17) - im dentalen Bereich überdeckt von 
der althochdeutschen Verschiebung [d] > [t] (Nr. 17, vgl. Nr. 18) - bzw. die späte 
Integration von lateinisch [v] als althochdeutsch [f] (Beispiele Nr. 19-21; vgl. da¬ 
gegen Nr. 17) auf. Im spät germanisierten Hochrheintal und südlich des Walensees 
findet sich erneut die Bewahrung des romanischen Paenultima-Akzents (Nr. 22), 
wie noch die heutigen Toponyme Salez, Sargäns, Ragäz, Maläns und andere oh¬ 
renfällig beweisen. 
Die differenzierten Verhältnisse bei der geographischen Verteilung der Lautgestalt 
der Toponyme sind als Projektion der zeitlichen Staffeln der Germanisierung auf 
den Raum anzusehen. Eine von der spätantiken römisch-alamannischen Ober¬ 
rhein-Militärgrenze gestützte lineare Sprachgrenze löst sich auf, um - wie Stefan 
Sonderegger (auf Karte 5) dargestellt hat - im Verlauf von zwei bis drei Jahrhun¬ 
derten neue Sprachgrenzstücke im Alpen- und Juraraum zu bilden, die sich an die 
Topographie der Mittelgebirgslandschaft, an Talengen in der Nordabdachung der 
Alpen und im Raume Bern an die teilweise versumpften Regionen zwischen den 
Seen von Neuchâtel, Murten und Thun anlehnen. Dahinter bleiben für einige Zeit 
sich erst allmählich auflösende romanische Sprachinseln bestehen. Die Sprach¬ 
grenzstücke rücken im Verlauf des Mittelalters und der Neuzeit nach dem vorge¬ 
gebenen Muster nach Süden vor, besonders stark im ehemals rätoromanischen 
Hochrheintal. 
Fragen wir nach den Ursachen, so steht am Anfang zweifellos eine massive Ein¬ 
wanderung von alamannischen Siedlern; wir können in der weiteren Entwicklung 
auch ein Mitwirken naturgeographischer Faktoren ausmachen. Doch bleiben m.E. 
- besonders im Vergleich zu anderen resistenten Sprachinseln - die eigentlichen 
Ursachen für die schnelle Integration der Sprachinseln und auch das weitere Vor¬ 
rücken der Sprachgrenzen nach Süden im Dunkeln, selbst wenn man den späteren 
kulturellen Prestigewert des Deutschen in der Schweiz mit in Rechnung stellt. 
HL Trierer und Metzer Moselromania 
Für den Mosel-Maas-Raum, die ehemalige römische Provinz Belgica Prima, ist der 
Forschungsstand noch nicht so fortgeschritten wie für die zuvor behandelten Ge¬ 
biete. Doch kann ich mich auf Arbeiten des Romanisten Max Pfister1 und der 
1 M. Pfister, "Altromanische Relikte in der östlichen und südlichen Galloromania, in den rheinischen 
Mundarten, im Alpenraum und in Oberitalien", in: Fakten und Theorien. Festschrift H. Stimm, Tübin¬ 
gen 1982, S. 219-230; Ders., "Galloromanische Relikte in der Toponomastik Ostlothringens und des 
Saarlandes", in: W. Haubrichs/H. Ramge (Hgg.), Zwischen den Sprachen. Siedlungs- und Flurnamen 
in germanisch-romanischen Grenzgebieten, Saarbrücken 1983, S. 121-152; Ders., "Zur Chronologie 
von Palatalisierungserscheinungen in der östlichen Galloromania", in: Romania Ingeniosa. Festschrift 
113
	        
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