den Klöstern Charroux und Ham13. Im Metropolitanstreit zwischen Tours und Dol
erhielt der Erzbischof von Tours, für dessen Metropolitanrechte über Dol der Papst
entschieden hatte, ein Judikat, das am Schluß in eine feierliche Palliumexhortatio
mit Pallium-Segenswunsch übergeht; der unterlegene Bischof von Dol bekam sehr
wahrscheinlich gar nichts, zumal er bei dem entscheidenen Gerichtstermin ohne
kanonisch anerkannte Entschuldigung gefehlt hatte. Aber den vom Urteil unmittel¬
bar betroffenen Bischöfen der Bretagne wurde ein Judikatmandat übersandt, mit
dem ihnen der Prozeß kurz dargelegt, Beachtung des Urteils und Gehorsam
gegenüber ihrem Metropoliten in Tours befohlen wurde14.
Nicht nur formal charakteristisch, sondern naturgemäß von rechtlicher Bedeutung
sind bei Judikaten die Hinweise auf und die Nennung von (delegierten) Richtern,
Beratern, Zeugen und Zustimmenden, sowie Unterschriften der Zeugen und der an
Gericht und Urteil Beteiligten. Dabei kommen Formulierungen wie praesentibus,
astantibus, considentibus unterschiedliche funktionelle und juristische Bedeutung
zu. Obwohl die mitwirkenden Gruppen und Personen (Kardinale, Bischöfe, Äbte,
römischer und auswärtiger Adel, Judices usw.) sozusagen für die Gerechtigkeit des
Urteils und die Stabilität der dabei festgelegten Rechtsverhältnisse mitgarantieren,
scheinen diese Erwähnungen und Unterzeichnungen bei Abfassung der Judikate
nicht konsequent und systematisch vorgenommen worden zu sein, auch ist wohl
nicht immer alles vollständig überliefert; nur selten können etwa zeitgenössische
Berichte von seiten der Prozeßparteien oder andere urkundliche und erzählende
Quellen etwas weiterhelfen. Wie wichtig das Zeugnis mitwirkender oder auch nur
„anwesender“ Personen werden konnte, zeigt ein ganz am Ende von Urbans II.
Pontifikat noch im April 1099 begonnener, erst von Paschalis II. 1113 abgeschlos¬
sener Prozeß zwischen dem Erzbischof von Benevent und dem Bischof von Troia.
Bei der Verhandlung vor Paschalis II. kam der Bischof von Troia durch die
Verschleppungstaktik seines Gegners in Bedrängnis und Beweisnot und rief nun
die Personen, die seinerzeit am Verfahren und an der vorläufigen Entscheidung
Urbans II. mitgewirkt hatten und von denen zudem einige an der Gerichtssitzung
von 1113 teilnahmen, namentlich auf, sich doch zu erinnern und entsprechendes
13 Urban II. hatte für Unterordnung des Klosters Ham unter die Abtei Charroux entschieden mit seinem
Judikat JL 5625 Tours 1096 März 21 (An. Jur. Pont. 10,542, ohne Adresse, doch als Kopie im Besitz
der Abtei Charroux). Der Abt von Ham erhielt nur eine ganz knappe Bestätigung der durch das Urteil
festgelegten Rechtslage, JL 5626 (Vestri monasterii statum , , ., An. Jur. Pont. 10,543, PFLUGK-HART-
tung, Acta 1,66 Nr. 71) in Kopie sowohl in Charroux als auch in Paris, Bibi. Nat. überliefert. Für
Charroux stellte Urban ebenfalls noch im März 1096 ein großes Privileg aus, in dessen Besitzliste die
abbatia que dicitur Ham (Diöz. Therouanne) bestätigt wurde (JL 5627, An. Jur. Pont. 10,558).
14 Judikat für Tours JL 5519, Rom 1094 Apr. 5 (MlGNE PL 151,385 ff.); Judikatmandat JL 5520, Rom
1094 Apr. 11 (MlGNE PL 151,387 f.). Auch die in Judikatform redigierte päpstliche Bestätigung der
Restitutionen des Grafen von Toulouse-St. Gilles an die Abtei St.-Gilles JL 5540 (Migne, PL
151,399 f., Cremona 1095 Febr. 18: Notum sit omnibus), adressiert: Universis per Gothicam
provinciam fidelibus, war offensichtlich für „Betroffene“ bestimmt, u. a. besonders für Vasallen des
Grafen, die etwas aus dem restituierten Rechts- und Besitzkomplex zu Lehen hatten und dies nun
ihrerseits huius decreti tenore cognito umgehend restituieren sollten; auch deshalb wohl ließ man die
Urkunde dann noch auf dem Konzil in Piacenza erneut verlesen und bestätigen, vgl. oben Anm. 8.
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