handschriftlichen Überlieferung eingehend dargestellt hat9. Formal und inhaltlich
erweist sich die Urkunde zweifellos als Judikat, mit dem Urban II. einige zunächst
noch vorläufige Entscheidungen zur Steuerung der wechselhaften und konfliktrei¬
chen Entwicklung der Kirchenorganisation in Spanien getroffen hat. Die hand¬
schriftliche Überlieferung legt die Annahme nahe, daß der Bischof Gomez von
Burgos, zu dessen Gunsten das Urteil lautete, das wohl nicht zu Unrecht als
Original angesehene Judikat (im Kathedralarchiv zu Burgos) erhielt, während man
dem Erzbischof Bernhard von Toledo vermutlich eine gleichzeitige, ebenfalls in
St.-Gilles hergestellte Kopie mitgab. Im Kathedralarchiv von Toledo finden sich
davon freilich zwar nur spätere, wie manche anderen Toletaner Papsturkunden aus
den päpstlichen Registern abgeschriebene Kopien, aber diese, wie im übrigen auch
eine römische Überlieferung des Judikats in der Biblioteca Vallicelliana, geben
einen wertvollen Hinweis auf Urbans II. Register mit dem Vermerk: „in regesto
domini Urbani II in nono libro in secunda parte“. Das Judikat wurde also, wie
schon Engels angenommen hat, in seiner Originalfassung ins Register eingetragen.
Die Frage der Registereintragung weiterer Judikate Urbans II. soll hier nicht
erörtert werden, weil derzeit über wenig befriedigende Vermutungen kaum hinaus¬
zukommen ist. Doch sei ein anderes Beispiel für Doppelausfertigung eines Judikats
für die Streitparteien mit wahrscheinlicher Registereintragung erwähnt: Urbans
Judikat JL 5470 von 1092 in einem Besitzstreit zwischen den Klöstern St.-Aubin zu
Angers und Ste.-Trinité in Vendôme10. Die letzte Phase des langwährenden
Konflikts spielte sich in mehrtägigen Verhandlungen vor dem päpstlichen Gericht
in Süditalien ab, wo in der letzten, urteilfindenden Sitzung (am 20. Nov. 1092 in
Anglona) vor dem Papst, einigen Kardinälen sowie römischen und normannischen
Adeligen als Richtergremium die Delegationen (unter Leitung ihrer jeweiligen
Prioren) aus St.-Aubin als Kläger und aus Vendôme als Beklagte auftraten. Der
Papst kam schließlich nicht so sehr zu einem förmlichen Urteil, sondern im
Interesse des Nutzens beider Parteien (utriusque utilitati providentes) mehr zu
einem Schlichtungs- und Vermittlungsspruch, den die Prozeßgegner akzeptierten
und auf dessen Grundlage sie einen Vertrag (pactum, concordia et pax) schlossen,
mit gegenseitigen Verzicht- und Investiturakten vor dem Papst (in manus nostras).
9 JL 5653. St.-Gilles 1096 Juli 15, D. Mansilla, La documentación pontificia hasta Inocencio III
(965-1216), Mon. Hisp. Vat. Sección Registros I, Roma 1955, S. 55 f. Nr. 37; Ders., La doc. pont. del
archivo de la catedral de Burgos, Hispania Sacra 1 (1948), S. 147 Nr. 4; J. M. Garrido Garrido,
Documentación de la catedral de Burgos (804-1183), in: Fuentes Medievales Castellano-Leonesas 13,
Burgos 1984 Nr. 61; F. J. HERNÁNDEZ, Los cartularios de Toledo, in: Mon. Eccles. Toletan. Hist.,
Ser. 1 Regesta et inventaria historica 1, Madrid 1985 Nr. 544. - O. Engels, Papsttum, Reconquista
und spanisches Landeskonzil, AHC 1 (1969), S. 48 f. und 241 ff.; P. Rabikauskas, Die römische
Kuriale in der päpstlichen Kanzlei, Miscell. Hist. Pont. 20 (1958), S. 128; L. Santifaller, Saggio di
un elenco dei funzionari, Bullettino dell’Ist. Stör. Ital. 56 (1940), S. 462 f.
10 JL 5470, Tarent 1092 Nov. 24, Ch. METAIS, Cartulaire (wie Anm. 5), S. 70 und 77 ff., BOUQUET,
Rec. Hist. 14, 85 ff., sowie A. Bertrand DE BROUSSILLON, Cartulaire de Pabbaye de St.-Aubin
d'Angers, Bd. 2 (Angers 1903), S. 223 ff. Nr. 737 ff., alle mit ausführlichen Prozeßberichten aus
Handschriften in St.-Aubin und Vendóme; dazu Judikat Paschalis’ II. JL 6459 (Benevent 1115 Mai
25) für den Abt von St.-Aubin, BOUQUET, 14,88 und MlGNE PL 163,382. — Th. Ruinart, Vita B.
Urbani II cap. 117 (MlGNE PL 151, 102 f.); vgl. auch J. Ramackers, Papsturkunden in Frankreich
NF 6, Abh. Göttingen 3.F.. Nr. 41 (1958), S. 38; Rabikauskas, Kuriale, S. 128 und Santifaller,
Saggio, S. 446 (wie Anm. 9); H. Meinert, Die Fälschungen Gottfrieds von Vendóme, AUF 10
(1928), S. 292.
42