Aber auch einem klaren inhaltlichen Verständnis der Urbarangaben widerstrebt die
Ortsnamendeutung von fausgina. Abzuliefern wären aus Geinheym (Rheingön¬
heim) nämlich sonst: . . 5 Pfähle für das Stauwehr, an Holz 5 Fuhren, nämlich 4
von kleingemachtem (= Kleinholz), die fünfte von Fußgönheim“. Die 5 Holzfuhren
aus Geinheym (Rheingönheim) können doch logischerweise nicht die fünfte aus
einem anderen Ort (Fußgönheim) einschließen. Dann hätte es ja doch wohl - ohne
die Zusammenfassung zu 5 Fuhren Holz - heißen müssen: ... 5 Pfähle für das
Stauwehr, 4 Fuhren Kleinholz, eine weitere Fuhre Holz aus Fausgina (Fußgön¬
heim)! Und die spezifizierte Gegenüberstellung von Kleinholz (ligna minuta) mit
einem Ortsnamen, statt einer anderen Holzart - um insgesamt 5 Wagenladungen
Holz zu ergeben - entbehrt auch der inneren Logik. Zu fausgina ist doch wohl -
ebenso wie bei minuta - das voranstehende Bezugswort ligna zu ergänzen.
Jedoch um welche Holzart handelte es sich dann bei ligna fausgina? Hier bietet
sich - für einen in der Rheinniederung gelegenen und deshalb damals in seiner
Umgebung mit Auengehölz, Weiden, Pappeln und anderem feuchtigkeitsangepa߬
ten Unterholz gut ausgestatteten Ort wie Rheingönheim23 voll verständlich - die
Deutung als solches Holz an, das sich besonders zur Uferbefestigung des Rheins
bzw. seiner Flußarme eignet, indem man dieses zu Bündeln zusammenschnürt oder
-flicht und zur Auffüllung von Erdausschwemmungen einsetzt, d.h. um sog.
Faschinenholz. Zu den vier Wagenladungen Kleinholz kam also als fünfte
Wagenladung Faschinengehölz dazu, und diese fünf Fuhren zusammen bildeten
somit die „5 Fuhren Holz“!
Das heute kaum noch gebräuchliche Wort Faschinen24 wurde offenbar auch im
Mittelalter nur selten verwendet. Und als weniger gängiges Wort war es scheinbar
auch größeren Schwankungen in seiner Fixierung unterworfen. Etymologisch leitet
sich Faschine vom lateinischen fascis /fasces = „Bündel, Rutenbündel“ her25. Im
Italienischen ist schon früh die Wortform fascinae bezeugt, im Französischen
fascine und fagot26 27. Als abweichende Schreibungen aus dem späten Mittelalter
findet man fascinae und fassinae21. Es gab im Mittelalter auch die Worte fascius
und fascium - neben fassus, fasculus und fassiculus bzw, fasciculus um Bündel
und Packen zu benennen28; fassinerium war die Bezeichnung für einen Holzhau¬
fen29; fascennina und facennia, italienisch dann fascinata, hießen aus Faschinen
gefertigte Verteidigungsanlagen vor Städten und Burgen30. Frühneuzeitliche Belege
23 Zu Rheingönheim bemerkt H. KAUFMANN, Pfälz. Ortsnamen (wie Anm. 13) S. 232: „Der Ort liegt am
Rande eines alten Rheinbettes, 1,5 km abseits vom heutigen Rheinlauf*.
24 Die 22. Auflage von F. KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, völlig neu bearb.
von E. Seebold, Berlin u. New York 1989, verzichtet z. B. auf dieses Wort, das in früheren Auflagen
durchaus seinen Platz hatte.
25 F. KLUGE, Etymolog. Wörterbuch (wie Anm. 24), 19. Aufl. bearb. von W. MiTZKA, Berlin 1963,
S. 185; u.a.
26 Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis Bd. 3, Ed. nova, Paris 1938, S. 418.
27 Ebd. S. 418 und 419.
28 Ebd. S. 419.
29 Ebd. S. 419.
30 Ebd. S. 418.
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