Kräfte, die Tendenz zur Vereinheitlichung, welche von dem preußischen Staat und
seiner preußisch geprägten Bürokratie im Rheinland ausgehen, und die Frage nach
rheinländischen Gemeinsamkeiten in den Regionen der Provinz, treten allzusehr in
den Hintergrund.
Dieses Defizit ist sicherlich zum einen darauf zurückzuführen, daß die Geschichte
der Rheinprovinz, die weder räumlich noch in ihrer Struktur einen staatlichen
Nachfolger nach 1945 gefunden hat10, im Schatten der jeweiligen Landesgeschichte
in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland stand und länderüber-
greifende Vergleichsstudien fehlen. Erst neuerlich findet die Geschichte der
Provinz wieder das Interesse differenzierter Untersuchungen, die vom Landschafts¬
verband Rheinland, der sich als kommunale Behörde noch mit am stärksten der
rheinländischen Tradition verpflichtet fühlt, nach Kräften gefördert werden11.Zum
anderen liegt es auch daran, daß die Überlieferungsverhältnisse und -Zusammen¬
hänge noch nicht hinreichend rezipiert worden sind und bislang nur sehr vereinzelt
entsprechende Hinweise und Beschreibungen geliefert wurden12. Letztlich wirkt
sich auch das der saarländischen Archivgeschichte eigentümliche Problem einer
starken Zerstreuung auf eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Archiven aus13,
was zu umso größeren Schwierigkeiten führen kann, wenn diese durch politische
Umstände kaum zugänglich waren14. Daher lassen sich auch die abweichenden
Einschätzungen zur Bedeutung der Überlieferung des rheinpreußischen Provinzial¬
verbandes erklären, die selbst im Kollegenkreise zwischen allzugroßen Erwartun¬
gen und gewissen Zweifeln hinsichtlich Umfang und Bedeutung variieren.
Anliegen der nun folgenden kurzen Skizzierung des Provinzialverbandes und seiner
die Saar betreffenden Überlieferung ist es denn auch, einen differenzierteren Blick
auf die noch nicht in allen Bereichen vollends geklärte Überlieferungslage zu
ermöglichen. Daß zum besseren Verständnis hierzu ein knapper Abriß der
10 Dazu jetzt B. Dorfey, Die Teilung der Rheinprovinz und die Versuche zu ihrer Wiedervereinigung
(1945-1956). Das Rheinland zwischen Tradition und Neuorientierung (Rheinprovinz 8), Köln 1993.
11 Hierzu ist auch die von der Archivberatungsstelle Rheinland herausgegebene Schriftenreihe „Rhein¬
provinz“ (Dokumente und Darstellungen zur Geschichte der Rheinischen Provinzialverwaltung und
des Landschaftsverbandes Rheinland) zu zählen. Eine nützliche Auswahlbibliographie mit Literatur
aus dem Zeitraum von 1918-1990 zur Geschichte des Rheinlandes, zusammengestellt von B.-C.
Padtberg, D. Kästner u. G. Mölich, enthält J. Hansen, Preußen und Rheinland von 1815 bis
1915. Hundert Jahre politischen Lebens am Rhein (Rheinprovinz 4), Nachdruck der Ausgabe von
1918, Köln 1990, S. 351-371. Erinnert sei aber auch in diesem Zusammenhang an die Leistungen des
Bonner Instituts für geschichtliche Landeskunde und der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde.
S. etwa zuletzt H. ROMEYK, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der
Rheinprovinz 1816-1945 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 69),
Düsseldorf 1994.
12 So etwa H. KLEIN, Quellen zur Lokalgeschichte im Landkreis St. Wendel im 19. u. 20. Jahrhundert,
in: Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 21 (1986), S. 182-203, hier S. 200.
13 25 Jahre Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 1952-1977. Grün¬
dung, Aufbau, Tätigkeit, S. 42 f. Zur Archivgeschichte vgl. H.-W. Herrmann, Archive in
Saarbrücken. Zum 56. Deutschen Archivtag, in: Der Archivar 36 (1983), Sp. 253-264.
14 Für die Ministerialebene galt dies bspw. für die vormals im ehemaligen Zentralen Staatsarchiv der
DDR in Merseburg verwahrte und nicht frei zugängliche Überlieferung der zentralen Behörden und
Einrichtungen des brandenburg-preußischen Staates, die inzwischen im Geheimen Staatsarchiv
Preussischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem wieder zusammengeführt worden ist.
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