werden, wobei mit den im Landesarchiv Saarbrücken erhaltenen Akten4 des
Sondergerichts Saarbrücken5 eine besonders ergiebige Quellengruppe6 zur Verfü¬
gung steht.
Plünderung als Sondergerichtstatbestand hat weit über die Freimachung hinaus
traurige Berühmtheit erlangt, und zwar als Tatbestand zur Ahndung von Diebstahl
nach alliierten Luftangriffen, wo von den Sondergerichten ungezählte Todesurteile
nicht selten sogar für Kleinstdiebstahl verhängt wurden. Paradigmatisch sei dazu
nur auf einen Fall verwiesen, wo der im Russenlager Bübingen untergebrachte,
gerade 18jährige Russe Boris Selesen wegen Plünderung eines durch Luftangriff
beschädigten Eisenbahnwagons vom Sondergericht Saarbrücken verurteilt wurde.
Er hatte bei Aufräumungsarbeiten auf dem Saarbrücker Bahnhof am 1.8.42 ein
kleines Stück Seife eingesteckt, das er für sich benutzten wollte, weil er schon seit
zwei Monaten keine Seife mehr gehabt hatte. Sogar das Sondergericht hatte das
dringende Bedürfnis nach körperlicher Reinigung anerkannt. Trotzdem wurde er
aber am 3.8.42 wegen Plünderung zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Das
Sondergericht hatte damit zwar die von der Staatsanwaltschaft geforderte Todes¬
strafe vermieden, aber 1943 wurde Selesen dann auf Anweisung des Reichsjustiz¬
ministeriums zur Strafunterbrechung entlassen und in das KZ Mauthausen einge¬
liefert, wobei seine „Vernichtung durch Arbeit“ einkalkuliert war7.
Rechtsgrundlage dieser Plünderungsurteile war in allen Fällen die Volksschädlings¬
verordnung (WO) vom 5. September 1939, die in § 1 lapidar bestimmte: Wer im
freigemachten Gebiet oder in freiwillig geräumten Gebäuden oder Räumen
plündert, wird mit dem Tode bestraft8. Plünderung war hiermit als neuer, bis dahin
noch nicht im Strafgesetzbuch enthaltener Straftatbestand eingeführt worden. Der
allgemeine Rechtsbegriff war aber in der Verordnung nicht weiter definiert worden.
Seine spätere Handhabung in Bezug auf Diebstahl nach Luftangriffen war kenn¬
zeichnend für eine Justiz, die - nach einem Urteil von Enzensberger - „nur noch als
4 Herrmann (wie Anm. 1), S. 87. Die nicht im Bestand der Staatsanwaltschaft (Staw) Saarbrücken im
Landesarchiv Saarbrücken (LASb) überlieferten Verfahren lassen sich aus der Kombination der
Anklageschriften (Bundesarchiv Koblenz, =BArch: R 22/2743) mit dem Prozeßregister (LASb:
Staw/1010) rekonstruieren.
5 Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935-1945, hg. v. Hans-Walter Herrmann. Bd. 2:
Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul: Herrschaft und Alltag. Ein Industrierevier im Dritten
Reich. Bonn 1991, S. 298-310 (mit weiterer Literatur).
6 Sonst wird ausgegangen von den zentralen Berichtsakten beim Reichsjustizministerium (BArch: R
22/2743). Herangezogen wurden weiter die Fonds der zuständigen Sondergerichte Kaiserslautern
(Landesarchiv Speyer =LASp: J 73), Landau (LASp: J 74), Saarbrücken (LASb: Staw), Trier
(Landeshauptarchiv Koblenz =LHAKo: 584,2) sowie ergänzend Berichtsakten der Generalstaatsan¬
waltschaft Köln (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf =HStADü: Rep. 21/245 ff; NRW 174) und Vollzugs¬
akten der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken (LASp: J 83). Für die Sondergerichte Zweibrücken
(LASp: J 75), Köln (HStADü: Rep. 112) und Koblenz (LHAKo: 584,1) sind keine Plünderungsurteile
überliefert.
7 SG Sb: 15 SKLs 1010/42 (LASb: Staw/544).
8 Gerhard WERLE, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich. Berlin
1989, S. 233-272. - Lothar Gruchmann, Justiz im Dritten Reich 1933-1940. Anpassung und
Unterwerfung in der Ära Gürtner. München 1988, S. 906-909.
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