die französische Gewerkschaft CGT griffen das Thema auf und selbst die lokalen
Verbände der DAF (Deutsche Arbeitsfront, nationalsozialistische Nachfolgeorgani¬
sation der deutschen Gewerkschaften), der ein großer Teil der betroffenen Arbeiter
angehörte, sahen sich veranlaßt, eine Kompensation für die geschädigten Arbeiter
durch einen günstigeren Wechselkurs für ihre Lohn-Devisen zu verlangen.
Zur Probe aufs Exempel kam es am 14. Februar, dem ersten Zahltag nach der neuen
Verordnung. Die rund 2 000 Arbeiter der Mittagsschicht wechselten ihren Lohn in
voller Höhe in Frankreich und gingen geschlossen über die Grenze. Die deutschen
Zollbeamten waren darauf nicht vorbereitet und machtlos. Für den in gleicher
Weise geplanten Übergang der Nachtschicht waren dann aber Hilfskräfte verschie¬
dener Verbände und auch Personal der Gestapo an die Grenze beordert, die die
Arbeiter an deren Absicht, die Grenze zu überschreiten, hinderten. Diese warteten
daraufhin, bis auch die Arbeiter der Frühschicht dabei waren, und man marschierte
nun gemeinsam. Nur wenige konnten angehalten und namentlich erfaßt werden, die
große Mehrheit zog unbehelligt weiter. Der Eklat war da.
Partei und Staat, selbst Gauleiter Bürckel, waren verunsichert und bemüht, die
Wogen zu glätten. Bürckel sicherte zunächst die Rücknahme der neuen Bestim¬
mung zu, mußte dann aber doch, wohl wegen des „höherrangigen“ Interesses der
Devisenbeschaffung, den Fortbestand der Verordnung bekanntmachen, konnte aber
die Zahlung einer Ausgleichszulage von 30 % der eingebrachten Devisen an die
Grenzgänger mitteilen.
Das konnte aber die einmal aufgebrachten Arbeiter - wohl auch aufgrund der
Erfahrung der erfolgreichen Weigerung vom 14. Februar - nun nicht mehr
umstimmen. Am nächsten Zahltag, am 27. Februar, wechselten wieder fast alle
ihren Lohn in Frankreich und versuchten, geschlossen die Grenze zu überschreiten.
In Großrosseln gelang dies, in Lauterbach standen sich Bergarbeiter und Polizei
stundenlang gegenüber, bis der Regierungspräsident von Saarbrücken, der die
Berichterstattung in der französischen Presse fürchtete, den freien Grenzübertritt
verfügte.
Partei und Staat hatten damit freilich keineswegs kapituliert. Die Gestapo verhaftete
noch am gleichen Tag 28 „Rädelsführer“. Gauleiter Bürckel drängte auf schnelle
Verfahren der Gerichte, und schon am 12. März wurden mehrere Angeklagte zu
mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt. An die 800 Bergarbeiter erhielten
wegen Devisenvergehens Strafbefehle über sechs Wochen Gefängnis und 100 RM
Geldstrafe sowie 30 RM Gerichtskosten. In Versammlungen und Verlautbarungen
warnte die Partei, sich weiter von „kommunistischer Hetze“ mißbrauchen zu lassen
und stellte - nach der Devise Peitsche und Zuckerbrot - bei „Wohlverhalten“ eine
Aufhebung der Strafbefehle in Aussicht.
Die Bevölkerung war offensichtlich geschockt, verschreckt. Der Widerstand brach
zusammen. Das Regime hatte sich durchgesetzt. Der nächste Zahltag verlief ohne
nennenswerte Zwischenfälle: die Arbeiter lieferten, von kleinen Mauscheleien
abgesehen, die Devisen vorschriftsmäßig ab. Die Ausgleichszahlungen wurden
beibehalten; bei späteren Abwertungen des Franc konnten Erhöhungen durchgesetzt
werden.
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