jetzt auch noch die Gebiete, die ihnen als Chefs der Zivilverwaltung unterstanden,
für zusätzliche Konfliktmöglichkeiten. Angeblich soll Simon sogar von der
Gestapo gesuchte Lothringer auf seinem Territorium geduldet haben, während
umgekehrt Lothringen für gefährdete Luxemburger eine der „geschütztesten Stel¬
len“55 gewesen sei. Die Umgebung Simons habe denn auch den Streit zwischen den
beiden entsprechend bissig kommentiert: „Wenn wir zwei Jahrhunderte zurücklä¬
gen, wäre schon Krieg zwischen den Herzogen von Luxemburg und Lothringen
ausgebrochen!“56.
Der Tod der Rivalen
Bürckel hat das Ende des Krieges nicht erlebt; Vorgänge, die sich im lothringischen
Teil seines Herrschaftsbereiches abspielten, haben dabei möglicherweise eine Rolle
gespielt57. Als die amerikanischen Truppen am 31. August 1944 Verdun besetzten,
erging an alle Reichsdeutschen in Lothringen Bürckels Befehl, das Land sofort zu
verlassen. Von Himmler und Bormann wurden ihm deshalb schwere Vorwürfe
gemacht, und am 8.September mußte er den Dienstleiter der NSDAP Willy Stöhr,
den ihm die Parteikanzlei geschickt hatte, zu seinem Bevollmächtigten für den
Stellungsbau ernennen. Damit begann seine Entmachtung, und Stöhr „wurde in
Parteikreisen bereits als designierter Nachfolger Bürckels betrachtet“58. Drei
Wochen später, am 28. September, starb der Gauleiter der „Westmark“ an
„Lungenentzündung durch akutes Versagen des Kreislaufs“59, wie es offiziell hieß.
An dieser Verlautbarung sind immer wieder Zweifel angemeldet worden; und die
Möglichkeit, daß er zum Selbstmord gezwungen wurde oder daß er, als seine
Hoffnungen schwanden, freiwillig aus dem Leben geschieden ist, läßt sich
angesichts der geschilderten Umstände nicht völlig ausschließen. Wie dem auch
sei, Bürckel bekam einen „Parteitrauerakt“ gewährt, der am 3. Oktober in Neustadt
an der Weinstraße stattfand und an dem sogar sein alter Widersacher Gustav Simon
teilnahm60.
Auch Simon hatte sich mit der Flucht der Zivilverwaltung aus Luxemburg, die wie
in Metz am 31. August begann, das Mißfallen der SS-Führung zugezdgen61. Der
Chef des Reichssicherheitshauptamtes Kaltenbrunner hielt scharfe Maßnahmen
gegen ihn für erforderlich62 und ordnete die Verhaftung von dreien seiner
Mitarbeiter an. Doch wurde Simon anscheinend nicht weiter belangt. Mit der
Besetzung der luxemburgischen Hauptstadt durch amerikanische Truppen am 10.
September hatte er als Chef der Zivilverwaltung sowieso ausgespielt. Als im
weiteren Verlauf der Kampfhandlungen auch der übrige Teil des Gaues Moselland
verlorenging, setzte sich Simon in den westfälischen Raum ab, wo er nach der
55 P. WEBER, Geschichte Luxemburgs im Zweiten Weltkrieg, Luxemburg 2. Aufl. 1948, S. 92.
56 Ebd., S. 38.
57 Vgl. hierzu Wolfanger (wie Anm. 2), S. 78 f.
58 Hüttenberger (wie Anm. 12), S. 211.
59 NSZ-Westmark vom 30.9./1.10.1944.
60 Vgl. NSZ-Westmark vom 4.10.1944.
61 Vgl. hierzu Dostert (wie Anm. 9), S. 256 und S. 254 f. des Anmerkungsteils.
62 Fernschreiben Kaltenbrunners an Himmler vom 12.9.1944, BA Koblenz R 58 Nr. 976,
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