FAUD-Ortsgruppe St. Ingbert 1930 hin: Nur noch ein Bergmann war unter ihnen,
alle übrigen waren Hilfsarbeiter25.
Die Umsetzung ihrer rigoristischen Prinzipien blieb für die FAUD stets problema¬
tisch: Die Arbeiter brauchen den ganzen Parteiapparat sowie den Parlamentaris¬
mus nicht und brauchen auch keine Führer. Sie müssen die Sache selbst in die
Hand nehmen, verkündete etwa Mühlhausen 1920 ganz im Geist der reinen
Lehre26, während die Dudweilerer Syndikalisten im selben Jahr nichts dabei
fanden, eine offizielle Liste der FAUD zur ersten Gemeinderatswahl nach dem
demokratisierten Wahlrecht einzureichen27. Waren derartige Divergenzen immer an
der Tagesordnung, so brachte der hunderttägige Bergarbeiterstreik 1923 hierin eine
neue Qualität, da in ihm Axiome syndikalistischer Politik miteinander kollidierten.
Denn er war nur vordergründig ein Lohnkampf, primär eine flankierende Unterstüt¬
zung der passiven Resistenz im besetzten Ruhrgebiet, und er wurde - was bald
schon die Spatzen von den Dächern pfiffen - zu beträchtlichen Teilen mit Geldern
aus der Reichskanzlei finanziert, da die Kassen der Gewerkschaften angesichts
einer derartigen Streikdauer bald schon leer waren28. Als Klassenkampf fürs
Vaterland könnte man diese paradoxe Situation kennzeichnen, die die Syndikalisten
vor die Wahl stellte, sich zwischen Internationalismus und proletarischer Solidarität
entscheiden zu müssen.
Angesichts dieser konträren Optionen zerbrach die FAUD im Saargebiet zunächst
politisch, dann auch organisatorisch. Die Syndikalisten würden bis zum Ende mit
den Bergarbeitern im Streike ausharren, erklärte ein Teil der Mitglieder29, während
andere den Gewerkschaften Verrat und Bestechlichkeit anlasteten30 31 und ihnen
vorwarfen, im Interesse der Deutsch-Nationalen mit der Aktion im Ruhrgebiet
zusammen den Widerstand Deutschlands gestärkt zu habend. Die Weltkriegslo¬
sung Proletarier aller Länder schlagt Euch tot! dürfte nicht mehr gelten, hieß es in
einem Flugblatt. Nicht Haß gegen die französischen Brüder im Soldatenrock, die
wie Ihr nur unter dem Zwang Soldat sind, sondern Verbrüderung mit ihnen muß
Eure Losung sein! Zerstört die Grenzen, die Euch trennen! Nieder mit dem
Nationalismus/32. Als ein Teil der Syndikalisten - an der Spitze Mühlhausen - aus
diesen Motiven zur Arbeitsaufnahme aufforderte, kommentierte die sozialdemokra¬
tische „Volksstimme“: „Überradikale und Gelbe haben sich gefunden“ - eine
seltsame Ehe, die man nur durch Bestechung und Francophilie zu erklären
vermochte33. Insbesondere Jakob Weber, bislang Wortführer der FAUD im
25 Vernehmungsprotokolle v. 2.-5.5.1930, LAS, LRA St. Ingbert 117, Bl. 13 ff.
26 Bericht Polizei/Wiebelskirchen v. 22.11.1920, LAS, LRA Ottweiler 7.
27 Wahl Vorschläge zur Gemeinderatswahl am 11.7.1920, Stadtarchiv Saarbrücken, Bürgermeisterei
Dudweiler 718.
28 Vgl. K.-M. MALLMANN, Klassenkampf fürs Vaterland. Der Bergarbeiterstreik 1923, in: Richtig
daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955 (hrsg. von dems./G. Paul/R.
Schock/R. Klimmt), Berlin-Bonn 19882, S. 103-108; M. Ruck, Die Freien Gewerkschaften im
Ruhrkampf 1923, Köln 1986.
29 Polizei/Ottweiler an Bürgermeister v. 12.4.1923, LAS, LRA Ottweiler 10.
30 Polizei/St. Ingbert an Bezirksamt v. 22.3.1923, ebd., LRA St. Ingbert 1111.
31 Bericht Polizei/Ottweiler v. 17.6.1923, ebd., LRA Ottweiler 9.
32 Flugblatt „Die nationalistische Verhetzung der Arbeiterschaft“, ebd., LRA St. Ingbert 1111.
33 Volksstimme v. 22.3.1923.
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