gerufen. Das Vertrauen, das P. genoß, setzte ihn in den Stand, manches mit Worten
zustande zu bringen, wozu andere die Hilfe der Behörden in Anspruch nehmen
müssen. Mit einer gewissen Befriedigung konnte er von sich sagen, daß es keine
Seele in der Gemeinde gegeben habe, in deren Innerstes er nicht geblickt habe. Mit
den benachbarten Amtsbrüdern betrieb er gemeinschaftlich die wissenschaftliche
Weiterbildung.
Nun dachte P. aber auch an eine materielle Verbesserung seiner Lage. Da kam ihm
der Zufall zur Hilfe. Aus den patriarchalisch einfachen Verhältnissen von Uck
heraus wurde ihm die Pfarrstelle von Nottmark auf Alsen angeboten. Er war auf
Alsen aufgewachsen, kannte also die Verhältnisse. Sprachliche Schwierigkeiten
hatte er nicht. Er war der Sohn eines Landgeistlichen in einem dänisch redenden
Distrikt Nordschleswigs, hatte von Jugend auf das Plattdänisch seiner Heimat
gesprochen und war dänisch konfirmiert worden. Allerdings war zu Hause die
Sprache Deutsch, Schule, Umgang und Bildung waren deutsch. Auch war er der
Meinung, daß dieses „Volkspatois“, wie er es nennt, das Plattdänische, zur
dänischen Schriftsprache in einem Verhältnis stehe wie irgendein schweizerischer
Dialekt zum Hochdeutschen. Gebildete Dänen konnten sich den plattdänisch
sprechenden Schleswigern nicht verständlich machen und ebenso umgekehrt, wie er
vielfach erfahren habe11. Damit ist zugleich die Sprachenfrage in Nordschleswig
angesprochen. Von sich selbst hat P. bekannt, er habe seine Antrittspredigt und
später mehrere andere zuerst deutsch niedergeschrieben und dann unter Zuhilfenah¬
me eines Lexikons ins Dänische übersetzt. Durch mehrjährige Übung und Studien
brachte er es schließlich soweit, nicht nur die Kanzlei-, sondern auch die feinere
dänische Umgangssprache, zwischen denen es auch wieder Differenzen gab, mit
ziemlicher Fertigkeit sprechen und schreiben zu können12.
P. wurde also Pfarrer in Nottmark und kam vergleichsweise damit in glänzende
Verhältnisse, obwohl seine Pfarre die kleinste auf Alsen war. Aber damit war auch
das idyllisch ruhige Leben in Uck zu Ende. Die Gemeinde war nicht nur größer und
wohlhabender, sondern auch durch weltlichen Sinn der Kirche sehr entfremdet. Die
Amtsbrüder auf Alsen, sämtlich im Geiste des liberalen Eiderdänentums wirkend
und durch ihre einträglichen Pfründen zu üppigem Wohlleben verleitet, waren nicht
in der Lage, den deutschen Prediger P., der mit aller Liebe seinem geistlichen Beruf
zu leben wünschte, zu würdigen oder mit ihm näheren Umgang zu pflegen. Dazu
war, schon seit dem Regierungsantritt Christians VIII. von Dänemark (1839-1848),
der ja zugleich Herzog von Schleswig und Holstein war, der politische Horizont
auch sehr trübe geworden. Während in Uck die Wetterwolken nur von ferne
wahrgenommen worden waren, war P. auf Alsen mitten in sie hineingeraten. Dabei
war er von Haus aus ganz unpolitisch im äußersten Sinne, der in vollkommener
Unbefangenheit seines geistlichen Amtes waltete, ja in vollendeter politischer
Unwissenheit und daher in völliger Unbefangenheit unfähig, die kommenden
11 Petersen, (wie Anm. 4) 7.
12 Ebda. 8. Die Sprachenfrage in Schleswig, wo neben Deutsch, Plattdeutsch, Plattdänisch, Dänisch und
Friesisch gesprochen wird, ist ein schwieriges Gebiet, das ausführlicher hier nicht behandelt werden
kann. Petersens Ansichten werden gestützt von dem auf Alsen aufgewachsenen, späteren Senatsprä¬
sidenten am Reichsgericht, P. Chr. Henrici, Lebenserinnerungen eines Schleswig-Holsteiners,
Stuttgart u. Leipzig 1897, 158.
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