tisierung des Gerichtswesens wesentliche Impulse erfuhr. Genannt seien nur das
schriftliche Verfahren und die Formalisierung.
Viglius van Aytta verband in seinen Lehrjahren Studium und gelegentliche
Lehrtätigkeit mit der Suche nach den Quellen für die Überlieferung des römischen
Rechts. Er schuf sich einen Namen auch als Entdecker und Herausgeber antiker
Handschriften. Das Ziel war aber nicht eine wissenschaftliche, sondern eine
politische Laufbahn. Auf ein kürzeres Interim am Hof des Bischofs von Münster
folgte die Berufung als Assessor (Beisitzer) an das Reichskammergericht in Speyer
(1535-1537). Abermals führte ihn sein Ruf als Gelehrter in ein Lehramt: Vier Jahre
als Rechtsprofessor in Ingolstadt erwiesen sich dank dort geknüpfter persönlicher
Verbindungen als besonders folgenreich. 1542 erfolgte der Übertritt in den Dienst
Kaiser Karls V., als Mitglied des Geheimen Rats in Brüssel. Es beginnt nun die
lange Reihe diplomatischer Aufträge für Karl V. und seine Schwester, Maria von
Burgund, Königin von Ungarn. Das Vertrauen des Herrscherhauses führt ihn an die
Spitze des Geheimen Rats von Mecheln, des höchsten niederländischen Gerichts
(1543) und schließlich an die Spitze der höchsten Justizbehörde, des Geheimen
Rats in Brüssel (1549). 1556 folgte noch die Berufung in den Belgischen
Staatsrat.
Mit der Abdankung Karls V. und der Regierung Philipps II. in den Niederlanden
begann sein Rückzug aus der politischen Verantwortung. Beim Abfall der Nieder¬
lande war sein Platz zwar auf der Seite des Königs trotz seiner Vorbehalte
gegenüber der Regierung. Seiner auf Ausgleich und Verständigung drängenden
Vorstellung eines Staates der Niederlande war der Terror eines Regenten wie des
Herzogs von Alva ebenso zuwider, wie die Rebellion der Protestanten in den
nördlichen Niederlanden. Er starb 1577, nachdem er noch in den Wirren des
Aufstands die Demütigung einer Verhaftung des Staatsrats durch den Brüsseler
Stadtkommandanten hatte erleben müssen.
Für die Wahrung der Interessen des habsburgischen Herrscherhauses in der
doppelten, mitunter zwiespältigen Verantwortung für das Reich wie für die eigene
Hausmacht, schien Viglius der geeignete Sachwalter zu sein: weithin anerkannter
Jurist mit gründlicher historischer Schulung. Schon die ersten Aufträge führten ihn
mitten hinein in die expansive Hausmachtpolitik Kaiser Karls V. als Herrscher der
Niederlande und Herzog von Luxemburg. Nach der Durchsetzung der Interessen
Karls in Geldern folgte am 21. Oktober 1542 das umfangreiche Mandat der
Regentin Maria, die Sonderstellung der Niederlande gegenüber dem Reich zu
begründen und auf dem bevorstehenden Reichstag in Nürnberg zu vertreten3.
Verbunden damit war der Auftrag, in Verhandlungen mit Kurtrier den seit langem
schwelenden Streitigkeiten zwischen der luxemburgischen und der kurtrierischen
Regierung ein Ende zu bereiten4. Trotz der Verständigung in Einzelfragen blieb das
3 K. LANZ (Hrsg.), Staatspapiere zur Geschichte des Kaisers Karl V., Stuttgart 1845, S. 316 ff.; R. La
Croix und L. GROSS (Bearb.), Urkunden und Aktenstücke des Reichsarchivs Wien zur reichsrecht¬
lichen Stellung des Burgundischen Kreises, Wien 1944, Bd. 1, S. 192-197.
4 A. Henne, Histoire du règne de Charles-Quint en Belgique, Brüssel, 1859, Bd. 7 S. 255 f., Bd. 8 S.
343-346; V. CONZEMIUS, Jakob III. von Eltz, Erzbischof von Trier 1567-1581. Ein Kurfürst im
Zeitalter der Gegenreformation, Wiesbaden 1956, S. 111-155.
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