Daß der Chorturm im 11./12. Jahrhundert und später oft zugleich auch Beobach-
tungs- und Glockenturm war, kann als sicher gelten. Rein praktische Überlegungen
werden mitgesprochen haben: die Glocken konnten vom Altarraum aus geläutet
werden. Auch war es billiger, bei bereits vorhandenem rechteckigen Chor später
das Untergeschoß zum Chorturm aufzustocken.
Wie steht es nun mit der Chorturmkirche im Saarland? Zunächst: nicht eine einzige
ehemalige Chorturmkirche im Saarland ist vollständig erhalten: In der Regel
stammt nur noch der alte Chorturm vom ursprünglichen Bau; das westlich
anschließende Schiff ist jünger, entstand zumeist im 18. Jahrhundert. Zuweilen
steht heute der ehemalige Chorturm nach Zerstörung oder Abbruch des Schiffes
völlig frei und isoliert, so in Außen (heute Schmelz/Krs. Saarlouis) (Abb. 1). Nach
Abbruch des 1845 errichteten Schiffes steht er als Kapelle frei in der Landschaft20.
Besonders eng war hier der ehemalige Altarraum mit 3,55:3,75 m. Sonst haben die
ohnehin kleinen Altarräume die Maße von ca. 5,00:5,00 m oder 6,00:6,00 m
(Bübingen gar nur 3,25:3,25 i.L.). Die westlich anschließenden Schiffe waren in der
Regel kaum breiter und nur etwa doppelt so lang (10,00-12,00 m). Einen
romanischen Vorgänger hat offenbar die Chorturmkirche des 14. Jahrhunderts in
Beeden bei Homburg (Abb. 2) gehabt. Auch von ihr steht nur noch die Ruine des
Turmes. An seiner Westseite ist der Anschluß des ehemaligen Langhauses gut zu
erkennen. Charakteristisch war die reiche Ausstattung des Turmchores: Kreuzrip¬
pengewölbe über Säulchen mit Kelchkapitellen mit Lanzettblättern, Maßwerkfen¬
ster21.
Auch in einem späteren oder veränderten Bauzusammenhang ist der Turm als
ehemaliger Chorturm meist zu erkennen: Seine Westmauer ist oft schwächer als die
drei übrigen Mauern. Der Sockel läuft nur um die Nord-, Ost- und Südseite herum,
während an der Westseite ein weiter, später oft vermauerter Triumphbogen zu
erkennen ist. Das Turmerdgeschoß besitzt (im Gegensatz zum flachgedeckten
Kirchenbau) ein Kreuzrippengewölbe, an der Ostseite ein (meist später eingesetz¬
tes) reicheres Fenster sowie eine Sakramentsnische, oft eine Piscina. Am Außenbau
ist an der Westseite der alte Dachansatz, zuweilen eine Tür vom Langhaus-
Dachboden in den Turm zu erkennen, so z. B. am „Alten Turm“ in Dudweiler
(Abb. 3) aus dem 14. Jahrhundert. An seiner Westseite können wir die ganze
Baugeschichte „ablesen“: Schräge des gotischen Daches, Dachbodentür, Schiffneu¬
bau von 173822.
Einige Chortürme sind völlig verschwunden, wie in Scheidt, wo beim Neubau des
Schiffes 1738 der Triumphbogen zugemauert, der Turm 1870 fast völlig abgebro¬
chen wurde23. Der offenbar gotische Chorturm in Seelbach ist nur in einer
20 Der alte Zustand abgebildet bei W. Zimmermann, Die Kunstdenkmäler der Kreise Ottweiler u.
Saarlouis, Düsseldorf 1934, S. 147.
21 B. H. BONKHOFF, Die Kirchen im Saar-Pfalz-Kreis, Saarbrücken 1987, S. 57-58, K. Fischer, In
Beeden steht ein alter Turm, in: Saarbrücker Bergmannskalender 1953, S. 106-110.
22 R. Saam, Geschichte des Alten Turmes in Dudweiler, in: Saarbrücker Hefte 35, 1972, S. 19-29.
23 R. Saam, Beiträge zur Geschichte von Scheidt, in: ZGSaarg. 22 (1974), S. 150-152. H. Chr.
DlTTSCHElD, Evangelischer Kirchenbau in Nassau-Saarbrücken, in: Die evangelische Kirche an der
Saar gestern und heute, Saarbrücken 1975, S. 139-195, bes. S. 153.
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