selbst in Graubünden sowie vereinzelt in anderen Landschaften finden wir sie12.
Die jüngere Forschung, vor allem Wolfgang Müller, hat im deutschen Südwesten
ganze Ballungsräume von Chorturmkirchen festgestellt, so den Breisgau, die
Ortenau (wo Müller noch 1965 innerhalb von 109 gemauerten Kirchtürmen allein
84 Chortürme nach weist, für das Unterelsaß wenigstens 60, z. B. Weitersweiler).
Eine ganze Reihe von Chortürmen gibt es in Lothringen (z. B. Valmunster, 11./12.
Jahrhundert; Chazelles, 12. Jahrhundert; Norroy-le-Veneur, 14. Jahrhundert)13. Für
die Pfalz gibt H. E. Kubach 1953 einen ganz knappen Überblick (mit Karte)14. 1967
legt Wolfgang Müller eine systematische Aufarbeitung der Chorturmkirchen in der
Pfalz vor. Neben den rund 80 Beispielen in der heutigen Pfalz erwähnt er auch die
jetzt zum Saarland gehörenden Bauten15.
Zur Typen-Genese des Chorturmes wissen wir kaum etwas16. Sicher ist der Typus
ursprünglich kultisch-liturgisch begründet: er zeichnet das kultische Zentrum, das
Sanktuarium, aus. Ob freilich die Stelle bei Venantius Fortunatus Carmen III, 12;
um 600: „turris sanctorum locus est“ speziell auf den Chorturm zu beziehen sei,
scheint mir fraglich17.
Daß der Chorturm mit seinen auffallend starken Mauern und dem häufigen
Verzicht auf jedwede Fenster im Untergeschoß ursprünglich auch realiter eine
Schutzfunktion haben sollte, muß glaubhafte Vermutung bleiben. Die Feststellung
freilich, daß die Chorturmkirche vor allem im fränkischen Siedelungs- (nicht
Stammes-)Gebiet auftrete und da wieder besonders häufig im Kolonialgebiet von
Thüringen und Sachsen und Schlesien, könnte auf eine solche Typen-Genese
schließen lassen. Doch entstehen diese Kirchen fast ausschließlich im 11., frühen
13. Jahrhundert, so daß es sich bei der Betonung einer Schutzfunktion wohl eher
um eine symbolische Auszeichnung handeln dürfte. Während R. Egger im
Chorturm die Schutzfunktion (auch zugleich als Wehrturm) für primär annimmt18,
hält W. Müller diese „militärische Verwendung der Chortürme“ für „durchaus
sekundär“19. Es gibt vereinzelt solche Chor-Wehrtürme, aber sie sind in aller Regel
spät oder aus späteren Umbauten entstanden. Typisches, nicht-saarländisches
Beispiel ist der Chorturm der Kirche von Dörrenbach, südlich Bergzabern. Die
Kirche liegt erhöht in einem auf das 14. Jahrhundert zurückgehenden befestigten
Friedhof. Die beiden Untergeschosse des Chorturmes entstammen dem 14. Jahr¬
hundert, die beiden Obergeschosse mit Wehrgang und „Maschikuli“-Fries erst dem
frühen 16. Jahrhundert.
12 Dazu u.a. Marijan Zadnikar, Die „Freisinger“ Chorturmkirchen in Slowenien, in: Ars Bavarica
55/56 (1989), S. 1-18.
13 Vgl. André Philippe, Sur quelques „Tours chevets“ de la région vosgienne, in: Bulletin monumental
92 (1933), S. 221-225.
14 Zur Kunsttopographie der Pfalz, in: Pfälzer Heimat 4 (1953), S. ]-4.
15 W. MÜLLER (wie Anm. 8).
16 Die Betrachtungen von E. BACHMANN (wie Anm. 5) bes. Sp. 567-569 u. H. SCHNELL (wie Anm. 7),
bes. S. 88, 94 bleiben stark hypothetisch.
17 Zitiert nach E. Bachmann (wie Anm. 5), Sp. 568.
18 R. Egger (wie Anm. 3), S. 120.
19 W. Müller (wie Anm. 8), S. 108.