Von dem Protokoll der „Chronique“ (im folgenden C) unterscheidet sich das in
zwei Exemplaren erhalten gebliebene Memorandum (M) aus den Archives du Nord
zu Lille auf den ersten Blick durch die Beschränkung des Zeitraums, über den
berichtet wird. C berücksichtigt den gesamten Verlauf des Besuchs, von dessen
Ankündigung zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt des Jahres 1377 bis zu
dem Moment, da der Kaiser während der Heimreise Ende Januar 1378 an der
Grenze zwischen Regnum und Imperium bei Mouzon den Augen des Chronisten
entschwand27. Die Tagesdaten nennt C vom 22. Dezember 1377, als der Kaiser in
Cambrai weilte, bis zum 19. Januar 1378, als Karl Chäteau-Thierry passierte. M
handelt demgegenüber nur über drei Tage, vom Montag, dem 4., bis zum Mittwoch,
dem 6. Januar 1378. Auch beim Vergleich der diesen drei Tagen gewidmeten
Kapitel von C mit M erweist sich C als der ausführlichere, vor allem auch farbigere
Bericht. Einzig im Abschnitt über die Speisen, die am Dienstag, dem 5. Januar, bei
zwei Essen sowie beim großen Diner am 6. Januar, dem Epiphaniasfest, in
Gegenwart des Kaisers aufgetischt wurden oder aufgetischt worden sein sollen, ist
M ausführlicher als C, worüber noch zu handeln sein wird.
Im übrigen gibt es kleinere Unterschiede zwischen beiden Texten. So bezeichnet M
Karls Sohn Wenzel stets als roy de Boeme oder Behaigne, C nennt ihn als roy des
Romains. Beides ist nicht falsch, ganz korrekt wäre roy des Romains et roy de
Boeme gewesen. Nach M war das Pferd, auf dem der Kaiser die letzte Strecke bis
nach Paris und zum Palais zurücklegte, schwarz. C widmet den Pferden der
Majestäten und ihrer Färbung geschwätzige Aufmerksamkeit28: Dem Kaiser und
seinem Sohn werden die Pferdd vom Gastgeber gestellt, der für sich selbst einen
grant palefroy blanc auswählt, seinen kaiserlich-königlichen Gästen aber Pferde
zu weisen läßt, deren Farbe mele am weitesten Von blanc entfernt sei. C erwähnt
ausdrücklich, daß König Karl diese Auswahl in Kenntnis des Brauchs getroffen
habe, wonach der Kaiser im Imperium auf weißem Roß in seine Städte einzureiten
pflege. Der König habe derlei nicht zulassen wollen, damit darin nicht ein Zeichen
kaiserlicher Herrschaft zu erkennen sei29. Die von C referierten Überlegungen über
die Farbe der dem Kaiser und seinem Sohn zur Verfügung gestellten Pferde wirken
etwas seltsam, denn auch für das Mittelalter war die von weiß am weitesten
entfernte Farbe wohl doch schwarz - und so soll nach M auch die Farbe von Karls
IV. Pferd gewesen sein, mele, so kann vermutet werden, wurde bei jenen
Denkspielen von Karls V. Räten als eine im Vergleich zu noir weniger auffällige
und daher in diesem Fall zu bevorzugende Farbe eingeschätzt.
Bezieht man die Miniaturen der Pariser Handschrift fr. 2813 in die Betrachtungen
ein, dann ergibt sich, daß der Maler das Pferd des Kaisers bei der Begrüßung Karls
durch den Neffen schwarz erscheinen ließ30. Anders verfuhr er bei dem Bild vom
Ritt in der Dreierreihe: Den Kopf von Karls IV. Pferd, das vom palefroy seines
Neffen fast verdeckt wird, färbte er hellbraun, zwei gerade noch erkennbare, indes
27 Chronique (wie Anm. 2), Bd 2, S. 193 u. 276.
28 Ebda S. 210 f.
29 Ebda S. 211.
30 Die folgenden Angaben beruhen auf allerdings sehr guten Dias der Miniaturen, nicht also auf
Autopsie.
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