1892 übernimmt die Gesellschaft "Aachener Hütten-Aktien-Verein Rothe Erde" die
"Brasseurschmelz". 1902 erwirbt die Gesellschaft die Bergwerke und Hütte des
benachbarten Audun-le-Tiche. 1907 wird sie mit der Gelsenkirchener Bergwerks A.G.
und der Schalker Gruben- und Hüttenverein A.G. zur Rhein-Elbe-Gelsenkirchener
Bergwerksgesellschaft. Die frühere "Metzeschmelz" dagegen gehört seit 1911 der
A.R.B.E.D. (Aciéries Réunies Burbach-Eich-Dudelange), die aus der Fusion der drei
Gesellschaften "Forges d’Eich, Le Gallais, Metz & Cie", "Société Anonyme des Mines
du Luxembourg et des Forges de Sarrebruck" und "Société Anonyme des Hauts
Fourneaux et Forges de Dudelange" hervorgegangen ist. Die wirtschaftliche Anbin¬
dung Luxemburgs an Deutschland wird durch die Abhängigkeit vom deutschen
Absatzmarkt für seine Industrieprodukte und von deutschen Koks- und Kohleimpor¬
ten verstärkt.
Durch die Industrialisierung findet auch auf kommunalpolitischer Ebene eine Um¬
strukturierung statt. Bald sitzen in der Escher Stadtverwaltung Vertreter der Industrie.
Ein besonders markantes Beispiel für die Einflußnahme des Industriebürgertums auf
die städtebauliche Entwicklung von Esch/Alzette ist hier zu verzeichnen. Unter der
Bürgermeisterschaft des Hüttendirektors Léon Metz erfolgt im Jahre 1908 der
Verkauf des Escher Waldes Clair-Chêne im Westen der Ortschaft mit einer Fläche
von ca. 100 ha - das entspricht etwa zwei Dritteln des zu dieser Zeit bebauten städti¬
schen Territoriums - zwecks Errichtung eines neuen Hochofenwerks durch die Gel¬
senkirchener Bergwerks A.G. (1909-1912).
Der Bau der Hochöfen und die Ausbeutung der Minette zieht eine starke Einwande¬
rung nach sich. 1851 zählt Esch 1.489 Einwohner/innen. Diese Zahl steigt bis 1930
explosionsartig auf fast 30.000, das bedeutet eine Multiplikation der Bevölkerung um
den Faktor 20. Während sich 1880 5.082 Einwohner/innen 574 Häuser teilen (8,8 pro
Haus), sind es 1910 16.522 in 1.350 Häusern (12,1 pro Haus) auf einer Gesamtfläche
von 150 ha.5 Bemerkenswert ist der hohe Ausländeranteil an der Bevölkerung. Kurz
vor dem Ersten Weltkrieg sind mehr als 50% der in der Industrie Beschäftigten
Ausländer. Frauen sind nur zu einem geringen Anteil in der Luxemburger Industrie
beschäftigt. Sie werden in verstärktem Maß während des Ersten Weltkrieges in der
Produktion eingesetzt, als Ersatz für die zum Kriegsdienst in ihre Heimatländer
abziehenden Ausländer. 1910 gibt es in Esch 3.327 Deutsche und ebenso viele Italie¬
ner; Franzosen und Belgier, aber auch Polen, sind in geringerer Anzahl vertreten. Die
italienischen Einwanderer sind vor allem im Bergbau beschäftigt, die Polen bringen
häufig Fachkenntnisse für die Grubenarbeit mit, während die Deutschen zu einem
großen Teil das technische Know-how für die Hüttenbetriebe besitzen und vor allem
Beamten- und Ingenieursposten einnehmen.
1906 wird Esch zur Stadt erhoben. In einem halben Jahrhundert hat sich der Ort
stark verändert und eine städtische Infrastruktur erhalten. Es entstehen zahlreiche
Schulen, eine Bibliothek, ein Krankenhaus, ein Stadtpark. Auffallend und bedingt
einerseits durch die Präsenz vor Ort, andererseits durch die Qualität deutscher Ma߬
5 Angaben zur Häuserzahl nach: Janine Camy, Esch-sur-Alzette d’un village à une ville,
Mémoire 1980, S. 47.
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