Stadt.3 In Straßburg dagegen ließ sich eine kommunale Planung nicht allein auf
Grund von Eigentümerrechten der Stadt durchsetzen, weil der Stadt gar nicht das
ganze betroffene Gelände gehörte; und dennoch gelang es der Stadt, diese Chance zu
nutzen und "Herrin ihrer Geschichte"4 zu werden. Dazu waren neue öffentlich-recht¬
liche Vorschriften unumgänglich notwendig. In diese Richtung hatte schon die Entfe¬
stigung und Stadterweiterung der Stadt Mainz 1870/72 gewiesen: Nachdem ganz im
Anfang der Projektierung ein Verein der betroffenen Grundbesitzer bereit gewesen
war, durch Zahlungen an die Festungsverwaltung einen Teil der Baubeschränkungen
im Rayon durch Geldzahlungen abzulösen, war der Damm gegen die Belastung von
betroffenen Anliegern gebrochen. Das führte zu zwei wichtigen hessischen Landes¬
gesetzen, dem vom 25. Febr. 1873, wonach die neu geschaffenen Bauplätze je nach
ihrer Verwertbarkeit in sechs Steuer-Zonen eingeteilt und zu einer "außerordentlichen
Communalsteuer" herangezogen wurden, sowie dem vom 13. Juli 1875, wonach die
Anlieger zu den Straßen- und Kanalisationskosten beitragen mußten.5
Auch in Straßburg lag das Entfestigungsgebiet nach dem Ankauf durch die Stadt im
Jahre 1875 teils in städtischer, teils in privater Hand. Mit dem Entfestigungsgesetz
vom 14. Febr. 18756 wurde zunächst das bisherige Bauverbot im Schußfeld des alten
Festungsrayons aufgehoben. Der von der deutschen Verwaltung kommissarisch einge¬
setzte Straßburger Bürgermeisterei-Verwalter Otto Back gab zwei Planungsprojekte
für die Neustadt in Auftrag, bei Baurat August Orth in Berlin7 und bei dem seit 1849
in Straßburg tätigen Stadtbaumeister Jean Geoffroy Conrath. Zu ihrer Diskussion
berief er eine "außerordentliche Kommission" von Fachleuten aus Wissenschaft und
Verwaltung. Bei ihren sechs Tage dauernden Beratungen und Ortsbesichtigungen im
September 1878 konnte der Karlsruher Ingenieur-Professor Reinhard Baumeister,
dessen erstes modernes Städtebau-Lehrbuch gerade im Druck war,8 wohl erstmals
seine Ideen praktisch umsetzen, als er bauordnungsähnliche Vorschriften verlangte.
Er trat u.a. für Brandmauern zur Erhöhung der Feuersicherheit und Vorgärten auch
auf privatem Grund ein; und vor allem wollte er damals schon einen Lichteinfalls¬
winkel von mindestens 45° vorschreiben,9 um so wenigstens in die neuen Viertel der
3 Vgl. Stefan Fisch, Joseph Stübben in Köln und Theodor Fischer in München. Stadtplanung
des späten 19. Jahrhunderts im Vergleich, in: Geschichte in Köln, H. 22 (1987), S. 89-113.
4 August Orth, Entwurf zu einem Bebauungsplan für Straßburg, bearbeitet im Auftrag der
Stadtverwaltung, Leipzig 1878, S. 2.
5 Gesetzestexte bei Kläger (Anm. 2), S. 274-276 u. S. 277-281.
6 Bénédicte Leclerc, L’urbanisme à Strasbourg. Fin XIXe - début XXe. [Masch.] D.E.A,
E.H.E.S.S. Paris o.J., S. 18.
7 Vgl. Orth (Anm. 4).
8 Reinhard Baumeister, Stadt-Erweiterungen in technischer, baupolizeilicher und wirtschaftli¬
cher Beziehung, Berlin 1876.
9 Reinhard Baumeister in: Protokolle über die Sitzungen der Commission zur Feststellung des
Bebauungsplans für die Stadt Straßburg, Straßburg 1879, S. 44-46.
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