Full text: Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum

den die Konflikte um Bahnhofsbau und Stadterweiterung in Metz, die Stefanie Woite 
schildert, in einem komplexen Kommunikations- und Interaktionsmuster zu einem der 
Themen, bei denen die beiden Bevölkerungsteile sich in gemeinsamer Opposition ge¬ 
gen Militär und Bahnverwaltung zusammenzufinden begannen.21 Annäherungen an 
das Problem der mentalitätsgeschichtlichen Aufarbeitung der nationalen Gegensät¬ 
ze22 erlaubt auch die Untersuchung der Kriegerdenkmäler des Krieges 1870/71 und 
der Erinnerungsfeiern, wie sie Annette Maas am Beispiel Metz unternimmt. Sie 
zeigen zugleich weitere Beispiele für die Ausstrahlung in die jeweiligen nationalen 
Räume. Gerade das Gedenken an den Krieg und die hier verwendeten Riten trugen 
zumindest zeitweise, bis in die Jahre vor dem I. Weltkrieg, dazu bei, Annäherungs¬ 
punkte innerhalb des Reichslandes und über die neue Grenze hinweg zu schaffen, 
obwohl in diesem Bereich der äußere Ausdruck patriotischer Übersteigerung beson¬ 
ders hervorstach. 
Die Einflußmöglichkeiten der Bevölkerung auf die Entwicklung ihrer Stadt hingen 
nicht zuletzt von dem Verhalten der Eliten ab. Besonders deutlich wird dies wiederum 
in der Reichslandzeit: Die Auswanderung23 wesentlicher Teile der kommunalen Füh¬ 
rungsschicht schwächte beispielsweise in Thionville, wie François Roth zeigt, be¬ 
trächtlich das Widerstandspotential der Bevölkerung gegen die deutsche Stadtplanung; 
für Metz gilt ähnliches. In Mittelstädten wie Saargemünd (Rolf Wittenbrock) und 
Kleinstädten wie Neunkirchen (Joachim Jacob) konnte die beherrschende Stellung 
einzelner - alteingesessener oder neu zugezogener - Notabein allerdings auch als 
solche, unabhängig von nationalpolitischen Fronten, zu einem wichtigen bremsenden 
oder vorantreibenden Faktor der Stadtentwicklung werden. Dagegen waren in den 
Großstädten modernere Formen politischer Entscheidungsbildung bereits um die 
Jahrhundertwende auch im Reichsland stärker ausgeprägt. Den wichtigen, teilweise 
bestimmenden Einfluß von Parteien und Gewerkschaften24 zeigen für Straßburg wie¬ 
derum Stéphane Jonas und Stefan Fisch. Stefan Leiner geht an dem einzigartigen Fall 
der Vereinigung dreier Städte zur Großstadt Saarbrücken25 den Wechselwirkungen 
von technischen Modernisierungszwängen, budgetären Engpässen und politischen 
Herrschaftsverhältnissen unter den Bedingungen des Dreiklassenwahlrechts nach. Die 
unterschiedlichen Stadtfunktionen wirkten sich hier, wie Ute Schneider beschreibt, 
21 Siehe hierzu auch Rolf Wittenbrock, Die Stadterweiterung von Metz (1898-1903). National¬ 
politische Interessen und Konfliktfelder in einer grenznahen Festungsstadt, erscheint in: 
Francia 18/3 (1991). 
22 Siehe zum konfessionellen Bereich Alfred Wahl, Confession et comportement dans les 
campagnes de l’Alsace et de Bade 1871-1939, 2 Bde., Metz 1980. 
23 Alfred Wahl, L’option et l’émigration des Alsaciens-Lorrains 1871-1872, Paris 1974. 
24 Vgl. Roth, La Lorraine annexée (Anm. 2), und Hermann Hiery, Reichstagswahlen im 
Reichsland. Ein Beitrag zur Landesgeschichte von Elsaß-Lothringen und zur Wahlgeschichte 
des Deutschen Reiches 1871-1918, Düsseldorf 1986. 
25 Zu den spezifischen Funktionen Saarbrückens vgl. Hans-Walter Herrmann, Saarbrücken - 
Stadt an der Grenze, in: Bernhard Kirchgässner u. Wilhelm Otto Keller (Hrsg.), Stadt an der 
Grenze (26. Arbeitstagung in Miltenberg 13.-15. November 1987), Sigmaringen 1990, S. 119- 
135. 
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