Widerstände des südlichen Vororts Sablon, der sich als Opfer der Bahnbehörde
fühlte,88 blieben Nebengefechte.
Das letzte größere Konfliktfeld betraf nicht mehr die Gestaltung der Bahnanlagen
selbst, sondern deren Auswirkungen, die Veränderung der städtischen Verkehrsach¬
sen. Schon in der großen Konferenz vom Dezember 1900 war diese Problematik the¬
matisiert worden. Es gab einige Diskussion darum in der Folgezeit, wobei besonders
das Bemühen um den Erhalt des Mazellenviertels herausragt. Das Viertel um den
Mazellenplatz war ein alter, wirtschaftlich reger Teil der Innenstadt. Die Pläne der
Bahnumbauten sahen vor, die Durchfahrt am Mazellentor aufzuheben und den Ver¬
kehr auf einer neuen Seite zur Seille hin zu verlegen.89 Geschäftsleute und Hausei¬
gentümer des Viertels mußten fürchten, nun ins wirtschaftliche Abseits zu geraten. Sie
verfaßten daher im Frühjahr 1903 eine aufwendige Eingabe und forderten die Stadt¬
verwaltung auf, die Erhaltung des bestehenden Durchgangs bei der Bahnbehörde zu
erwirken. Die Bahnbehörde lehnte - erwartungsgemäß - den viel zu spät gestellten
Antrag ab.90 Die Antragsteller ließen sich nicht entmutigen und wandten sich an die
Handelskammer, die sie für eine Weile tatsächlich unterstützte, dann aber auch auf¬
gab.91 Ebenso erfolglos blieb die Unterstützung für das Mazellenviertel durch den
neuen Reichstagsabgeordneten Jaunez.92 Interessant an dem Bemühen um den Er¬
halt des Mazellenviertels ist daher nicht das Ergebnis, sondern Art und Verlauf. Kon¬
flikte auf dem Gebiet der Stadterweiterung waren deutlich aus dem Ghetto der
Pressedebatte herausgetreten. Bemerkenswert ist auch in diesem Fall wieder die ge¬
mischt nationale Zusammensetzung der Petenten, die sich in ihrer zweisprachigen
Eingabe eher konziliant zeigten. Die Akteure, kleinere Handwerker, Kaufleute und
Hausbesitzer, wichen damit von den früheren zweisprachig abgefaßten Petitionen im
Stil ab. Zweisprachiger Protest war nicht mehr mit heftiger Kritik an den höheren Be¬
hörden gekoppelt. Möglicherweise ist das ein Hinweis auf die kooperativere Haltung
einiger Alteingesessener, sicher jedoch auf die schwindenden Berührungsängste zwi¬
schen den nationalen Gruppierungen.
Inzwischen hatten sowohl die allgemeine Stadterweiterung als auch die Bahnumbau¬
ten Fortschritte gemacht. Ab November 1901 hatte die Stadt an der Erstellung eines
Baufluchtenplans gearbeitet.93 Im Juni 1902 war der Bebauungsplan fertiggestellt.94
Mit ihm wurde die heute noch Wilhelminische Neustadt entworfen. Im März 1903 be¬
gannen die Geländearbeiten für den Güterbahnhof, und im November waren trotz er¬
88 Schreiben der Generaldirektion v. 8. Okt. 1903 an den Bezirkspräsidenten in: ADM, 15 AL
478.
89 Text der Eingabe v. 12. März 1903 in: ADM, 15 AL 478.
90 Brief des Bürgermeisters v. 1. Nov. 1903 an den Bezirkspräsidenten in: ADM, 15 AL 478.
91 Ebd. u. Sitzung der Handelskammer v. 21. Nov. 1903 in: ADM, 8 AL 48.
92 "Le courrier de Metz" v. 13. Nov. 1903 in: ADM, 15 AL 478.
93 Gemeinderatssitzung v. 7. Nov. 1901, Protokoll S. 542f.
94 "Metzer Zeitung" v. 27. Juni 1902.
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