kamen den Saarbrücker Fragen die Ergebnisse einer deutsch-französischen Arbeits¬
gruppe von Architekten und Historikern, die unter Leitung von Jean-Louis Cohen
und Hartmut Frank, als wir selbst erst begannen, bereits vor dem Abschluß eines
umfangreichen, von der VW-Stiftung geförderten Forschungsprojektes zur Architek¬
turentwicklung im Raum Elsaß-Lothringen-Saarland-Rheinland-Pfalz in der Zeit von
1940 bis 1950 standen.8 Ein Résumé ihrer Arbeiten, die im Rahmen des Deutschen
Architekturmuseums in Frankfurt publiziert werden sollen, ist in diesen Band aufge¬
nommen. Um beide Arbeitsgruppen herum entstand der Plan einer auf Forschungs¬
perspektiven hin orientierten Zwischenbilanz, der hier vorgelegt wird. Ihr Schwer¬
punkt liegt, durch den Forschungsstand bedingt, auf der Zeit vom deutsch-franzö¬
sischen Krieg 1870/71 bis zur Rekonstruktion nach dem II. Weltkrieg, während zeitlich
weiter ausgreifende Zusammenhänge eher noch als Perspektiven erscheinen.
Bewußt wurde versucht, über den in der deutschen Forschung vorrangig untersuchten
Bereich der Großstädte hinauszugehen und von kleinen Orten, die in der Industriali¬
sierung zu Städten wurden (Neunkirchen, Esch-sur-Alzette, Dudelange), über tradi¬
tionsreiche (Thionville) oder auch jetzt erst aufstrebende (Saargemünd) Mittelstädte
bis zu den Großstädten (Metz, Straßburg) Städte unterschiedlicher Größenordnung
zu erfassen. In den Hein- und Mittelstädten stellten sich viele Probleme anders,
kamen insbesondere die Modernisierungszwänge häufig erst phasenverschoben an
oder zeitigten andere Folgen. Die Funktion der Öffentlichkeit war hier eine andere
als in den Großstädten, Notabein behielten ein vergleichsweise größeres Gewicht. Zu¬
gleich wurden damit unterschiedliche Funktionen von Städten erfaßt, von Verwal¬
tungszentren (Alt-Saarbrücken) über Verwaltungs- und Festungsstädte (Straßburg,
Metz) zu Industriestädten (Neunkirchen, Dudelange, Malstatt-Burbach im heutigen
Saarbrücken). Im Fall der Großstadtbildung in Saarbrücken trafen 1909 mit einer
Wohn- und Verwaltungs-, einer Wohn- und Einkaufs- sowie einer Industriestadt
unterschiedliche Typen direkt aufeinander. Die Vielfalt der sich überlagernden Funk¬
tionen der Städte im Grenzraum läßt es allerdings noch verfrüht erscheinen, im
Anschluß an die vor allem in der deutschen Forschung seit Christallers Zentralorts¬
theorie intensiv geführte Diskussion zu einer Typologie der zu untersuchenden Städte
zu kommen.
Eines der Kernprobleme bildet das Spannungsverhältnis von Zentrum und Peripherie,
von Hauptstadt und Grenzraum. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts - wenngleich
jeweils auf älteren Traditionen fußend - entwickelten sich in Frankreich und Deutsch¬
land Strukturen der Verstädterung und Grundzüge der Stadtplanung, die sich schon
aus Gründen technischer Sachzwänge vielfach berührten, aber in wesentlichen Cha¬
rakteristika auch voneinander unterschieden. Das galt zunächst für die Planungs¬
instrumentarien: Trotz des ausgeprägten Zentralismus wurden Eingriffs- und Steue¬
rungskompetenzen von Staat und Kommunen, zunächst im wesentlichen auf Fluchtli¬
nien und feuerpolizeiliche Vorschriften beschränkt, in Frankreich im Zeichen des
8 Jean-Louis Cohen u. Hartmut Frank (Hrsg.), Deutsch-französische Beziehungen 1940-1950
und ihre Auswirkungen auf Architektur und Stadtgestalt. Rapport intermédiaire, octobre 1987
(hektogr.).
13