liebe wurden vor Ort am vorbildlich patriotischen Handeln der Helden gefestigt und
unter ein neues Versprechen, den Gefallenen nachzueifem, gestellt.
Trotz klarer nationaler Abgrenzungen ermöglichte die gemeinsame Erinnerung eine
Annäherung über die Gräber hinweg. Schon relativ früh wurden die Kriegerdenkmä¬
ler und -gräber zu Kristallisationspunkten einer lokal begrenzten, versöhnenden An¬
näherung, wobei das gemeinsame Gedenken auf der Grundlage des ethisch-religiösen
Respekts vor den Toten und des militärischen Ehrbegriffs beruhte.
Diese Tendenz der Annäherung schien tragbar, da die deutsche Zivilverwaltung in
Metz versuchte, einen "modus vivendi" gegenüber der annektierten Bevölkerung zu
finden. In ausgeprägter Zurückhaltung und Rücksichtnahme auf emotional belastete
Themen wurden eigene nationale Interessen ausgeklammert, wie z.B. der Sedanstag,
selbst gegen den erbitterten Widerstand des auf harte Germanisierungsstrategien set¬
zenden ansässigen Militärs und später der nationalen Presse. Auch Wilhelm II. nahm
bei seinen Besuchen in Metz in Habitus und Reden Rücksicht auf die besondere
Grenzraumproblematik.
Klimax der Integrationsbemühungen schien Noisseville zu sein, das aber konzeptions¬
bedingt an regionale Identität und nationale Zugehörigkeit rührte und zusammen mit
dem elsässischen Pendant in Weißenburg profranzösischer Identitätsstiftung Vorschub
leistete. So wurde in einer nicht zu verleugnenden Tragik der Versöhnungspolitik ein
Ende gesetzt. Der auch noch in Krisenzeiten erstrebte lokale Interessenausgleich be¬
mühte sich um den Abbau nationaler Antagonismen, sowohl auf deutscher als auch
auf französischer Seite. Die Polarisierung zweier "mémoires collectives", verschärft
durch die neue Grenze, konnte letztendlich weder längerfristig gemildert noch über¬
brückt werden, wobei der Versuch eines Integrationskonzeptes an den übermächtigen
Antagonismen der Nationalstaaten auf verschiedenen Konfliktebenen scheiterte.
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