Wir hier in der Westmark wollen ein Vorbild geben dem ganzen Land als Hüter hei¬
liger Traditionen."76
Von 1911 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Gedenkfeier in militä¬
rischem Rahmen in der Gedenkhalle von Gravelotte abgehalten.77 Auf das schon
zur Tradition gewordene Volksfest, nun als "kirmesartige Nachfeier" verurteilt, wurde
ganz verzichtet.78 Der Kriegszustand änderte Form und inhaltliche Konzeption der
Gedenkfeier. Das Militär übernahm sowohl die Schmückung der Kriegergräber von
1870 und 1914 um Metz als auch die Organisation der Gedenkfeier. In Anwesenheit
oberster Militärvertreter, der Landwehr und des Landsturms, des Pfadfinderkorps
Metz und der Jugendkompagnie wurde der alte Heldenmythos auch auf die Gefalle¬
nen des soeben ausgebrochenen Krieges übertragen: "Wahrlich - ohne 1870 kein 1914
und ohne das Heldengeschlecht von damals kein Heldengeschlecht von heute".79
Und noch bis 1918 wurde in Durchhalteparolen zur Verteidigung von Elsaß-Lothrin¬
gen aufgerufen.80
Ansätze zu einem gemeinsamen Totengedenken und das Scheitern der Integrationsbe-
mfihungen
Neben den bereits erwähnten nationalen Funktionen der Kriegerdenkmäler und der
Jahresgedenkfeiern zeichnete sich eine besondere Entwicklung im konfliktgeladenen
und emotional belasteten Grenzraum ab. Hier klangen schon kurz nach dem Krieg
Ansätze zu einem versöhnlichen Miteinander an, das bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges erstaunliche Formen einer lokalen Annäherung entwickelte. In den ersten
Jahren nach dem Krieg wurden vermehrt mutwillige Beschädigungen an deutschen
Kriegergräbern und Denkmälern gemeldet. Der Verdacht, daß es sich dabei um eine
offene Konfrontation und Aggression, um eine systematische Denkmalszerstörung
durch die frankophone Bevölkerung handele, wurde jedoch schon damals wider¬
legt.81
Bei den Einweihungen der verschiedenen Denkmäler wurden auch die Gräber der
französischen Gefallenen geschmückt.82 Der Respekt vor den Gefallenen des ehe¬
76 Metzer Zeitung v. 18. Aug. 1903.
77 ADM, 12 AL 287 u. ADM, 12 AL 198. Der 1895 errichtete nationale Aussichts- und
Gedenkturm bei Gravelotte wurde aus militärstrategischen Gründen schon 1902 niedergelegt;
ein Wiederaufbau an anderer Stelle war nicht möglich, so daß 1905 als Ersatz die nationale
Gedenkhalle eingeweiht wurde.
78 Metzer Zeitung v. 12. u. 16. Aug. 1911.
79 Metzer Zeitung v. 16. Aug. 1915.
80 Metzer Zeitung v. 17. Aug. 1917 u. 17. Aug. 1918.
81 ADM, 12 AL 258. In den wenigen Fällen, in denen der Schuldige gefunden wurde, handel¬
te es sich um Viehschaden oder Jungenstreiche, zur allgemeinen Empörung in einem Falle um
den Streich deutscher Schüler der Realschule in Metz, s. ADM, 12 AL 198.
82 Metzer Zeitung u.a. v. 28. Aug. 1877 u. v. 14. Aug. 1879.
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