merT. Anton Baur ist einer der wenigen Mitglieder eines Ordens, die eine Chronik
ihres Lebens hinterlassen haben. Sein Tagebuch erweitert zum einen unsere Kennt¬
nisse über die Verhältnisse der Kirche, der Politik und der Verwaltungen dieses Lan¬
des zwischen 1780 und 1820. Es zeigt zum anderen auf, wie die Geschichte von denen
erlebt wurde, die in den Ordnungen der Kirche und der Gesellschaft unten waren.
Wir wollen im folgenden versuchen, das Leben dieses Mannes nachzuzeichnen, vor
dem Hintergrund der Geschichte dieser Region9 10.
Anton Baur wurde am 4. März 1760 in Hagenau geboren. Der Vater, André Baur,
erlernte das Handwerk eines Tuchmachers. Er gelangte auf seiner Wanderschaft als
Geselle nach Paris, wo er für die Schweizergarde angeworben wurde. Nach seiner
Entlassung kehrte er in seine Vaterstadt zurück; er übernahm die väterlichen
Geschäfte: einen Fuhrbetrieb und die Gaststätte „Zum Goldenen Apfel“ am Obertor
zu Hagenau. André Baur gehörte zu den Wortführern der Zunftbürger, die in Oppo¬
sition zu dem Magistrat von Hagenau standen. Er führte sogar einen Prozeß gegen
den Rat. da dieser die Erhebung des kleinen Zehnten auf dem ganzen Stadtbann
beschlossen hatte. Der Magistrat verlor zwar den Prozeß vor dem Colmarer Conseil
Souverain; André Baur starb aber eine Woche vor dem Urteil des Gerichts.
Die Mutter war Marianne Franziska Mögling. die André Baur in zweiter Ehe gehei¬
ratet hatte. Sie stammte aus einer Familie von Hugenotten, die nach 1685 Aufnahme
bei den Pfalzgrafen von Veldenz gefunden hatte. Ihr Großvater hatte in Ribeauvillé
(Rappoltsweiler) das Bürgerrecht erlangt, wo er von der reformierten zur katholi¬
schen Konfession wechselte. Als die Mutter starb, war Anton Baur drei Jahre. Seine
Erziehung mußte nun der Großvater übernehmen: der Bäcker Johann Jakob Mög¬
ling. Da der junge Anton von schwacher Konstitution war, sollte er nicht ein Hand¬
werk erlernen, sondern ein Studium aufnehmen. Er besuchte zunächst den Unter¬
richt in der deutschen wie in der französischen Schule der Stadt, dann die
Lateinschule der Augustiner. Er zählte zu den besten Schülern in dieser Anstalt. Im
Jahre 1772 bewarb sich der junge Baur um einen der zehn Freiplätze am Kolleg zu
Molsheim, die dem Magistrat von Hagenau für Söhne seiner Bürger zur Verfügung
standen. Jedoch lehnte der Rat zunächst sein Gesuch ab. Er hatte noch nicht verges¬
sen, welche Einbußen die Stadt nach dem verlorenen Prozeß gegen Baur erlitten
hatte. Der Magistrat sollte erst seine Auffassung ändern, als ihm die Augustiner seine
unchristliche Handlungsweise vor Augen hielten.
9 Ein Verzeichnis dieser Quellen für den Zeitraum von 1789 bis 1816 liegt als Manuskript bei
der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung. Siehe auch: Die
Französische Revolution und die Saar. Ausstellung des Landesarchivs Saarbrücken. Katalog.
St. Ingbert 1989, S. 129 ff.
10 Wir stützen uns auf das französische Original des Tagebuches (Mikrofilm bei der Kommission
für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung). Es ist an dieser Stelle der Familie
Thul in Hetzerath herzlich zu danken, die der Kommission die Verfilmung des Tagebuches
ermöglicht hat.
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