Dekan sollten außerdem die Aufgaben von Archidiakonen erfüllen, ihnen traten
zwei weitere Archidiakone zur Seite, so daß die Metzer Diözese seitdem deren vier
besaß. Sie hatten Amtssprengel, die freilich nicht etwa fest mit bestimmten Dignitä¬
ten im Domkapitel verbunden waren. Sie übten ihre Jurisdiktion selbständig aus,
waren allerdings noch nicht in der Lage, eigene Urkunden auszustellen. Diese Befug¬
nis erwarben sie erst im Lauf des 12. Jahrhunderts, wobei sie weiterhin Angehörige
des Domstifts blieben. Die Entwicklung ging schließlich so weit, daß 1230 Bischof
Johann die Mitbesieglung seines Archidiakons benötigte, um die Schenkung des
Patronatsrechtes von Willingen an das Kloster Fraulautern bestätigen zu können''".
Betrachtet man die Entwicklung in Langzeitperspektive, so hatten die Archidiakone
am Ende derart einschneidende Befugnisse, daß sie der Einheit von Hirt und Herde
viel eher Abbruch taten, als es einstmals den wegen dieser Gefahr abgeschafften
Chorbischöfen möglich gewesen wäre.
Auffallend erscheint in der Entwicklung der Metzer Seelsorgsorganisation die starke
Traditionsgebundenheit, die sich gegenüber Neuentwicklungen anderer Ortskirchen,
etwa gegenüber den benediktinisch-kolumbanischen Klöstern des 7. Jahrhunderts,
den Kollegiatstiften des 10./11. Jahrhunderts, den Chorherrenstiften des 12. Jahrhun¬
derts als sehr resistent erwies. Gefestigt hat diese Traditionsgebundenheit sicherlich
Adalbero I., indem er im Zuge der Gorzer Reform in allen Konventen seiner Diözese
die Einführung der Benediktinerregel erzwang, so daß als einziges weltliches Stift
praktisch nur das Domstift übrigblieb. Dies war wohl der Hauptgrund für die große
Verzögerung bis zur Einrichtung von Kollegiatstiften als Archidiakonatssitzen.
Es wäre jedoch grundfalsch, darin eine Schwäche, einen Mangel, einen unzeit¬
gemäßen, minderen Rang der Metzer Bistumsorganisation vom 11. bis frühen 13.
Jahrhundert diagnostizieren zu wollen. Vielmehr bot die eigenständig weiterent¬
wickelte Metzer Tradition seit Bischof Sigibald auch vor dem Anschluß an das Kolle-
giatstiftssystem offenbar effektive Möglichkeiten einer guten Führung und Kontrolle
des christlichen Lebens auf dem flachen Land. Im Gegenteil war es, solange die vier
Archidiakone nur Dignitäre des Domkapitels, nicht Pröpste von archidiakonalen
Stiften waren, leichter möglich, die diözesane Jurisdiktion einheitlich und im engen
Einvernehmen mit dem Bischof zu praktizieren. Die Gefahr der Verselbständigung
von Archidiakonen, die zugleich Stiftspröpste waren, hatte im Metropolitanbistum
bereits im 12. Jahrhundert böse Früchte getragen , so daß sich Papst Hadrian IV. am
11. Mai 1157/59 veranlaßt sah, den Trierer Archidiakonen zu verbieten, Niederkir¬
chen ohne Wissen und Einverständnis ihres Erzbischofs zu besetzen, sie auch ganz
allgemein an die gute Ordnung und debitam in omnibus subiectionem et reuerentiam
gegenüber ihrem Ordinarius erinnern mußte"1. Ein solche Fehlentwicklung konnte in
dem älteren Metzer System, wie es bis ins 12. Jahrhundert gehandhabt wurde, nicht
so leicht eintreten.
90 E. Ausfeld, Die Anfänge des Klosters Fraulautern bei Saarlouis, in: Jb. d.. Gesell, f.
lothr. Gesch. u. Altertumskde. 12 (1900) S. 26 Nr. 14.
91 Mrh. UB 1 (wie Anm. 10) Nr. 601, JL. 10523.
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