und Wirtschaftsgeschichte, in aufregender Weise auch in die Mentalitätsgeschichte, in
Bereiche der Psychologie, des Wahns, der Auseinandersetzungen und Kriege.
Welche Rolle spielen aber die Kirchengeschichte und zumal die Grenzen eines
Bistums und innerhalb des Kirchensprengels? Zwei Andeutungen mögen genügen:
Im Mittelalter und in früher Neuzeit sind in der Regel Bistumsgrenzen sehr dauerhaft
gewesen, oft erheblich beständiger als Grenzen anderer Art. Im Ausnahmefall haben
sie sogar heute noch politisch-staatliche Bedeutung: Eine holländische Provinz deckt
sich recht genau mit der Utrechter Diözese, und das heutige Bundesland Salzburg ist
räumlich identisch mit dem alten Salzburger Sprengel bzw. dem Fürstbistum Salz¬
burg.
Noch größere historische Kontinuität kommt im allgemeinen den Pfarreien zu: Seit
dem 4. Jahrhundert gibt es Pfarreien, in Westeuropa seit dem 6. Jahrhundert. Sie sind
im Regelfall die dauerhafteste, beständigste allgemeine Verfassungsinstitution über¬
haupt - weisen also über kirchliche/kirchenpolitische Dauerhaftigkeit und Bedeutung
zum Teil weit hinaus. Da Geschichte in hohem Maße kontinuierlich verläuft, tun min¬
destens alle historischen Teil- und Spezialdisziplinen gut daran, kirchliche Institutio¬
nen aufmerksam zu betrachten: Also Bistümer beispielsweise in ihren Gliederungen,
in ihren Grenzen und mit ihren Grenzen.
Damit soll ein roter Faden des Rosenberger Tagungsprogramms und des vorliegen¬
den Bandes angesprochen werden. Freilich gibt es viele andere und ähnlich bedeutsa¬
me Kontinuitätslinien, zusätzlich auch interessante thematische Ausweitungen.
Wer sich mit Grenzen und Grenzräumen forschend beschäftigt, wird immer mit
besonderem Interesse die Entstehung und Wirkung von Grenzen beachten: War ihre
Ausbildung unausweichlich? Lehnten sie sich an Vorgaben ethnischer, naturräumli¬
cher, kultureller und zumal sprachlicher Art an, oder waren sie mehr oder weniger
zufällig entstanden, gar willkürlich gezogen worden? Solche Fragen gelten auch für
die Entstehung von Diözesangrenzen - im allgemeinen und im Metzer Fall. Korre¬
spondierte die Bistumsgrenze in Teilen oder wenigstens einigen Binnengliederungen
mit der Sprachgrenze? Wie lassen sich Wechselwirkungen, wie Auswirkungen fas¬
sen? Haben weltliche Organisationsformen und Verwaltungsstrukturen einen beson¬
deren Einfluß - oder eher bischöflicher Besitz, bischöfliche Gerichtsbarkeitsberei¬
che? - Wenn sich in solchen und ähnlichen Fragen Aufschluß ergeben sollte, ließe
sich mit größerer Sicherheit sagen, welche Grenzen und Abgrenzungsformen über¬
flüssig sind, welche unausweichlich, vielleicht sogar sinnvoll sind. Vor allem aber
braucht man historische Erfahrungswerte für Haupt- und Nebenwirkungen von
Grenzen und Grenzräumen, muß man wissen, wie unvermeidbare Grenzen in ihrer
Funktion „begrenzt“ gehalten werden können, welche Anlehnungen man riskieren
kann, welche sehr gefährlich oder vielleicht völlig sinnlos sind. Doch mit solchen
Andeutungen soll nicht irritiert werden, auch darf den Einzelthemen nicht vorgegrif¬
fen werden. Ein zusätzlicher Aspekt sei aber knapp gestreift: Die Geschichte vieler
Gebiete im Bereich der heutigen deutsch-französischen Grenze ist längst noch nicht
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