des aus dem Elsaß kommenden Trierer Bischofs Michael Felix Korum3 (1881-1921)
nicht zu unterschätzen, mit dessen Amtsantritt der Kulturkampf praktisch zu Ende
war und - nach unserer Statistik - der Kirchenbau seinen Aufschwung nahm.
Kommen wir nun zu einigen Beispielen! Die Zeit des „dogmatischen Historismus“4
hatte schon die Zeit eines freier agierenden, aber noch aus dem Geist des Klassizismus
kommenden Früh-Historismus abgelöst; man denke an solche „dogmatischen“ Bauten
wie St* Clothilde zu Paris (1846-57)5 oder die Votivkirche in Wien von Heinrich von
Ferstel (1856-79)6. Dennoch war damals noch eine solch grazile Konzeption möglich
wie die evangelische Kirche in Homburg, die 1871-74 von dem Königlichen
Bezirksbaumeister Rau errichtet wurde.7
Die Außengliederung des Baukörpers ist durchaus noch als ein später Nachklang
klassizistischer Auffassung zu verstehen. Im Inneren der gotischen Halle (mit eingezo-
genem Altarraum) tragen die schlangen Bündelpfeiler aus Gußeisen - man denkt
unwillkürlich an die Auffassungen Schinkels - wesentlich zur Leichtigkeit und
Durchsichtigkeit des Raumes bei. 1970 wurde die Kirche „simplifizierend“ reno¬
viert.
Mit der Erweiterung der kleinen barock-klassizistischen katholischen Saalkirche von
1760 St. Sebastian in Eppelborn treffen wir auf ein für diese Zeit bemerkenswertes
Beispiel vereinfachenden Bauens mit der Absicht, mit möglichst wenig Aufwand ans
Ziel zu kommen. Baumeister Carl Friedrich Müller, Fraulautern, fertigt 1876 die
Pläne, 1877 liegen sie bei der Regierung vor, 1879 -1880 wird gebaut.8 Über die
Finanzierung geben die Akten Auskunft: Vieles wurde in Eigenleistung erbracht.83
Dabei wird die Südseite der alten Saalkirche weggebrochen und eine dreischiffige
Stufenhalle mit Mitteltonne angebaut, deren Architrave von schlanken Gußeisensäu¬
len (eher Stangen!) getragen werden; der Altarraum ist separat und schmäler
ausgewiesen. Neubau und Altbau bilden als Baukörper und als Raum eine gegliederte
Einheit. - 1912 wird die Kirche im Sinne des Neobarock umgebaut (s. u.).
3j. Treitz, Michael Felix Korum, Bischof von Trier 1840-1921. Ein Lebens- und Zeitbild.
München/Rom 1925. (Treitz widmet sich nicht dem unter Korum so groß aufblühenden
Kirchenbau.) - Handbuch des Bistums Trier. 20. Ausgabe. Bearbeitet vom Bistumsarchiv
Trier 1952, S. 48. - A. Thomas, Bischof Michael Felix Korum. 1840-1921. Festvortrag, als
Manuskript vervielfältigt.
4 Zu Begriff und Einteilung des Historismus im 19. Jahrhundert: A. Aman, Architektur, in:
Die Kunst des 19. Jahrhunderts. Propyläen Kunstgeschichte. Bd. 11, Berlin 1966, S. 170-185.
- R. Wagner-Rieger, Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien 1970: Kapitelüberschrif¬
ten.
5 H.-R. Hitchcock, Architecture. Nineteenth and Twentieth Centuries. Harmondsworth
(1958), 3. Aufl. 1968, S. 108. - Wagner-Rieger (wie Anm. 4), S. 171, A. 25.
6 Propypläen-Kunstgeschichte (wie Anm. 4), S. 391. - Wagner-Rieger (wie Anm. 4),
S. 162 ff.
7 100 Jahre Protestantische Stadtkirche Homburg. Festschrift zum Jubiläum am 29. November
1974. Hg. von der Prot. Kirchengemeinde Homburg. M. Klewitz, Der evangelische Kirchen¬
bau zwischen 1800 und 1945, in: Die evangelische Kirche an der Saar. Gestern und heute.
Saarbrücken 1975, S. 252. - G. Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Rhein¬
land-Pfalz, Saarland. 2. Aufl. München 1984 (im folgenden: Dehio), S. 384. - B. H. Bonk-
hoff, Die Kirchen im Saar-Pfalz-Kreis. Saarbrücken 1987, S, 149 f, Abb. 148-150.
8 Handbuch (wie Anm. 3), S. 377. - Dehio, S. 260. - Eppelborn (wie Anm. 2).
8aEppelborn (wie Anm. 2), S. 48.
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