Full text: Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende (18)

an der Saar in ein Arbeitersekretariat zu investieren, führte zu einem starken 
Mitgliederverlust beim Alten Verband in Lothringen.65 
Es dauerte bis zum 1. Juli 1904, daß ein Arbeitersekretariat in St. Johann eingerichtet 
wurde, dessen Kosten von der Generalkommission getragen wurden und zu dem der 
Alte Verband, der Keramikarbeiter- und der Glasarbeiter-Verband feste Beiträge 
leisteten. Gleichzeitig wurde eine Agitationskommission für das Saargebiet gegrün¬ 
det.66 
Die Zahl der Gewerkschaftsverbände,67 die eine Zahlstelle an der Saar besaßen, stieg 
von 10 im Jahre 1902 mit 513 Mitgliedern auf 20 im Jahre 1905 mit 1 341 
Mitgliedern und 28 im Jahre 1908 mit 3 835 Mitgliedern. In diesem Jahr hatten 
bereits 10 Verbände über 100 Mitglieder, nämlich die Maurer 1 571, die Metallarbei¬ 
ter 407, die Bergarbeiter 276, die Maler 213, die Holzarbeiter 200, die Glasarbeiter 
177, die Buchdrucker 148, die Schneider 145, die Bäcker 142 und die Zimmerer 117 
Mitglieder. 
Auf dem 8. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands 1911 wurde folgende Bilanz 
gezogen:68 In Elsaß-Lothringen und im Saargebiet ist sehr steiniger Boden zu 
beackern. Unternehmer, Kirche und Verwaltungsbehörden wirken zusammen, um die 
Fortentwicklung unserer Gewerkschaften zu hemmen. Während der verflossenen 
Geschäftsperiode bestand die Tätigkeit der in diesen Bezirken tätigen Angestellten in 
der Hauptsache darin, die vorhandenen Organisationen zu erhalten und zu festigen. 
Dies ist gelungen und sind seit dem Eintritt einer besseren Konjunktur wieder 
erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Man ließ sich seinen Optimismus nicht 
nehmen. Trotz weiterer Bemühungen gelang den freien Gewerkschaften an der Saar 
vor dem 1. Weltkrieg jedoch kein Durchbruch mehr. 
Den Zustand der sozialdemokratischen Bewegung an der Saar vor dem 1. Weltkrieg 
belegen am besten die Wahlergebnisse der Reichstagswahl von 1912.69 Während auf 
Reichsebene die SPD 35% der Stimmen gewann und mit 112 Abgeordneten die 
stärkste Fraktion stellte, gewann sie im Reichstagswahlkreis Saarbrücken 7,8 %, in 
Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim 4 % und in Saarburg-Merzig-Saarlouis 3,7 %. Mit 
13 % wies die Großstadt Saarbrücken den zweitniedrigsten Prozentsatz aller deut¬ 
schen Großstädte auf: nur in Posen hatte die SPD prozentual weniger Stimmen. 
Jenseits der preußischen Grenze sahen die Ergebnisse anders aus: im Wahlkreis 
Zweibrücken-Pirmasens mit St. Ingbert erhielt die SPD 26 % und in Kusel-Homburg 
17 %. Im lothringischen Wahlkreis Forbach-Saargemünd waren es 22 %. 
65 Bericht Landrat Saarbrücken an Reg-Präs. Trier vom 29. Januar 1901, LHA Koblenz 
Best. 442 Nr. 4157, S. 551 f. 
66 Protokoll der Verhandlungen des fünften Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. 
Abgehalten zu Köln a. Rh. vom 22. bis 27. Mai 1905. Berlin o.J., S. 64 und 91. 
67 Zahlen für 1902 und 1905: ebda., S. 84; Zahlen für 1908: Protokoll der Verhandlungen des 
sechsten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. Abgehalten zu Hamburg vom 22. bis 
27. Juni 1908. Berlin o.J., S. 90 f. 
68 Protokoll der Verhandlungen des achten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. 
Abgehalten zu Dresden vom 26. Juni bis 1. Juli 1911. Berlin o.J., S. 102. 
69 Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 250. 
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