über das parteipolitische Engagement, teils - bei den katholischen Arbeitern - über
den Mißerfolg dieses Einsatzes.
Ein Vergleich der Einnahmen des Gewerkvereins von 1910 und 1912 zeigt den
starken Rückgang der Mitgliederzahl. Im gesamten Saarrevier gingen die Einnahmen
um 32 % zurück, im Bezirk Saarbrücken um 45 %, im Bezirk Fraulautern um 35 %,
im Bezirk Illingen um 22% und im Bezirk Neunkirchen nur um 13%. In den
Hochburgen war der Verlust am stärksten, so in den 3 Zahlstellen von Dudweder und
Sulzbach zwischen 70 % und 80 %.38 Diese Entwicklung zwang den Gewerkverein zu
Aktivitäten.
Im März 1912 fand an der Ruhr ein Massenstreik der Bergarbeiter statt, der erstmals
aus einer Lohnbewegung von Gewerkschaften hervorging.39 Allein der Gewerkverein
wandte sich gegen den Streik und forderte sogar den Staat zum Schutz der Arbeitswil¬
ligen auf. Offiziell gab man die geringen Erfolgsaussichten als Grund für die
Ablehnung an, aber man fürchtete auch die Rivalität und organisatorische Stärke des
konkurrierenden sozialdemokratischen „Alten Verbandes“. Außerdem wußte man in
der Leitung des Gewerkvereins, daß in Rom eine Entscheidung des Papstes über die
Zulässigkeit christlicher Gewerkschaften bevorstand, und daher war es nützlich, sich
vor Kirche und Staat von der sozialdemokratischen Gewerkschaft abzugrenzen.
An der Saar war auch eine Rivalität zwischen Arbeiterorganisationen vorhanden: hier
tobte der „Gewerkschaftsstreit“ zwischen den christlichen Gewerkschaften und den
Berliner Fachabteilungen. Als nun im November 1912 die Bergwerksdirektion eine
neue Arbeitsordnung vorlegte, die Verschlechterungen enthielt, begann der Gewerk¬
verein, der ja in einer Krise mit Mitgliederverlusten steckte, eine Bewegung, die bis zu
der Ausrufung eines Streiks für den Januar 1913 führte. Die Berliner kämpften gegen
den Streik.40 Die Fronten waren die gleichen wie an der Ruhr, nur der Gewerkverein
hatte seine Rolle getauscht.
Alle politischen Kräfte versuchten in Verhandlungen den Streik zu verhindern. Als der
Gewerkvereins-Führung das Verhandlungsergebnis ausreichend erschien, gelang es ihr
nur noch mit Mühe unter den Delegierten eine Mehrheit für die Aussetzung des
Streiks zu erreichen. Dieses Abbrechen der Bewegung führte zu einem neuerlichen
Mitgliederverlust. Der Verhandlungserfolg war nur dadurch möglich geworden, daß
die Bergverwaltung die Arbeiterführer in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete akzeptier¬
te, sonst wäre nicht mit ihnen verhandelt worden.
38 Berechnet nach: Bericht über die Einnahmen und Ausgaben der Zahlstellen des Jahres 1910
und Aufstellung der von denselben bezogenen Unterstützungen. Essen o.J.; Bericht über die
Einnahmen und Ausgaben der Zahlstellen und Einzelmitglieder, sowie Aufstellung der von der
Hauptkasse bezogenen Unterstützungen und Geschäftsbericht des Gewerkvereins christlicher
Bergarbeiter Deutschlands für das Jahr 1912. o.O. o.J.
39 Albin Gladen, Die Streiks der Bergarbeiter im Ruhrgebiet in den Jahren 1889, 1905 und
1912, in: Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr (s. Anm. 3) S. 111-148.
40 Heinrich Imbusch, Die Saarbergarbeiter-Bewegung 1912/13. Köln 1913; Dechant Backes,
Memorandum zur Bergarbeiterstreikbewegung im Saarrevier 1912-13. Neunkirchen o.J.
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