des Gewerkvereins zu dulden.32 Zur gleichen Zeit bereitete auch die Generalkommis¬
sion der freien Gewerkschaften die Einrichtung eines Arbeitersekretariates an der Saar
vor, die am 1. Juli 1904 erfolgte.33
Die gewerkschaftliche Organisation der Bergarbeiter war nun nicht mehr aufzuhalten.
Schon in seinem Bericht über das 3. Vierteljahr 1904 stellte der Regierungspräsident
von Trier fest, daß die christlichen Gewerkschaften „mit Erfolg“ unter den Arbeitern
an der Saar Fuß zu fassen suchten.34 Die Mitgliederzahl des Gewerkvereins betrug
1909 11 916 und 1911 15 648 Mitglieder.35
Daß die Gewerkschaftsbewegung aber noch nicht so gefestigt war, daß sie von
größeren Krisen verschont geblieben wäre, zeigten die Jahre 1910 bis 1913.36 Die
Absatzkriese, in die der preußische Saarbergbau geriet, ließ die Belegschaftszahl
sinken und die Löhne stagnieren. Hinzu kam eine Teurerungswelle. Diese Entwick¬
lung führte zu einer Austrittswelle beim Gewerkverein.
Die Reichstagswahlen von 1912 verschärften diese Mitgliederkrise noch. An der Saar,
wo der preußische Staat der größte Arbeitgeber war und wo dessen Eingriffe in die
Wahlfreiheit eine große Rolle spielten, war eine politische Neutralität der Gewerk¬
schaften, wie sie im Programm der christlichen Gewerkschaften stand und wegen der
konfessionellen Gegensätze notwendig war, fast nicht zu verwirklichen. Das Zentrum
galt traditionell als Arbeiterpartei, war aber für evangelische Arbeiter nur schwer zu
wählen. Die nationalliberale Partei suchte vor allem in der Frage der Haltung zu den
Gewerkschaften Abstand von den Arbeitgebern zu gewinnen, um evangelische Arbei¬
ter als Wähler zu behalten, nachdem die früheren Wahlbeeinflussungen nicht mehr so
leicht durchgeführt werden konnten.
Das Zentrum stellte im Wahlkreis Saarbrücken den Bergmann Sauermann auf, der
Gewerkvereinsmitglied war und einen Wahlkreis von der Ruhr im preußischen
Abgeordnetenhaus vertrat, und im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim den
Arbeitersekretär des Berliner Verbandes Koßmann. Koßmann wurde gewählt, Sauer¬
mann unterlag in der Stichwahl dem nationalliberalen Parteiführer Bassermann, den
die Sozialdemokraten unterstützt hatten,37
Die Kandidatenaufstellung und vor allem das Wahlergebnis verschärften die Krise des
Gewerkvereins. Teils herrschte - bei den evangelischen Arbeitern - Unzufriedenheit
32 Zwar konnten bisher weder im Landesarchiv Saarbrücken noch im Landeshauptarchiv
Koblenz entsprechende Erlasse oder Berichte gefunden werden, aber die öffentliche Meinung
sah es so. Vgl. Saar- und Blieszeitung Nr. 117 (1. Blatt) vom 19. Mai 1906, LHA Koblenz
Best. 442 Nr. 3783, S. 187.
33 Vgl. Anm. 66.
34 Zeitungsbericht des Reg-Präs. Trier über das III. Vierteljahr 1904. LHA Koblenz Best. 442
Nr. 9052.
35 Kiefer, Organisationsbestrebungen (s. Anm. 27 S. 226 f).
36 Vgl. Michael Sander, Zwischen Kirche, Streik und Zentrum. Der Gewerkverein christlicher
Bergarbeiter im Krisenjahr 1912, in: Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins
Saarrevier 1815-1955. Hg. v. Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul, Ralph Schock und
Reinhard Klimmt. Berlin und Bonn 1987, S. 87-90.
37 Josef Beilot, Hundert Jahre politisches Leben an der Saar unter preußischer Herrschaft
(1815-1918), Bonn 1954 (= Rheinisches Archiv Bd. 45), S. 232-236.
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