Full text: Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende

Trier aus. Der katholische Arbeiterverein dieser Stadt trat am 26. März 1902 dem 
Verband der katholischen Arbeitervereine Nord- und Ostdeutschlands bei und 
beantragte auf dem nächsten Delegiertentag eine obligatorische Gliederung aller 
katholischen Arbeitervereine in berufliche Fachabteilungen zur Wahrnehmung 
gewerkschaftlicher Aufgaben. Nur gegen Widerstände wurde diese Regelung durchge¬ 
setzt. Der Verband, der sein Zentrum in der Diözese Breslau, vor allem in Berlin, 
hatte und der auch das Oberschlesische Industriegebiet umfaßte, dehnte sich auf die 
Diözese Trier aus und nannte sich Verband katholischer Arbeitervereine Deutschlands 
(Sitz Berlin), wovon sich die Kurzbezeichnung „Berliner“ für seine Anhänger ableite¬ 
te. 
Gleichzeitig wurde seit 1902 in der Diözese Trier und vor allem im Saargebiet die 
Gründung katholischer Arbeitervereine betrieben und für den Anschluß an den 
Berliner Verband geworben. Bereits am 1. August 1903 umfaßte der Verbandsbezirk 
Saar 43 Vereine mit 9 000 Mitgliedern, im 1. Halbjahr 1907 waren es 121 Vereine 
mit 19 763 Mitgliedern. Nach einer Ausgliederung von eigenen Verbandsbezirken für 
Merzig und Lothringen stagnierte die Mitgliederzahl für die Saar bei 16 000 in über 
80 Vereinen.24 
Die Fachabteilungen sollten der wirtschaftlichen Interessenvertretung der Arbeiter 
dienen. Sie waren aber fest in die Arbeitervereine integriert, so daß die Geistlichen, die 
als Präsides an deren Spitze standen, immer die Kontrolle behielten, obwohl die 
Fachabteilungen von Arbeitern geführt wurden. Die Fachabteilungen führten Tarif¬ 
verhandlungen, lehnten aber praktisch den Streik ab. 1908 bestanden an der Saar 
82 Fachabteilungen, von denen 65 solche von Berg- und Hüttenarbeitern waren.24 
Von ihren Gegnern wurde die organisatorische Existenz und eine praktische Tätigkeit 
dieser Fachabteilungen bestritten. Bei den Knappschaftsältesten- und Sicherheitsmän¬ 
nerwahlen auf den preußischen Staatsgruben erzielten die Berliner jeweils ca. 20 % 
der Sitze.25 Für Rechtsschutz und Agitationen wurden 1904 in Malstatt, 1907 in 
Neunkirchen, 1908 in Merzig und 1909 in Saargemünd Arbeitersekretariate einge¬ 
richtet. In Neunkirchen wurde der 23jährige Bergmann Bartholomäus Koßmann 
Arbeitersekretär, der als Reichstagsabgeordneter 1912, Mitglied der Regierungskom¬ 
mission bis 1935 und Mitbegründer der CVP nach 1945 noch eine politische Rolle 
spielen sollte.26 
Der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter Deutschlands27 
Nach der Zerschlagung des Rechtsschutzvereins dauerte es zehn Jahre, bis eine 
Gewerkschaft aus einem anderen Bergbaurevier an der Saar eingeführt wurde. Zwar 
24 Sander, Katholische Arbeitervereine (s. Anm. 21) S. 130. 
25 Ebda., S. 131 f. 
26 Ebda., S. 131. 
27 Horstwalter Heitzer, Die christliche Bergarbeiterbewegung im Saarrevier von 1904 bis zum 
Ersten Weltkrieg, in: Soziale Frage und Kirche im Saarrevier (s. Anm. 19) S. 233-271; 
Michael Schneider, Die Christlichen Gewerkschaften 1894-1933. Bonn 1982 (= For¬ 
schungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Reihe: Politik- und Gesellschaftsgeschichte. 
Bd. 10); Peter Kiefer, Die Organisationsbestrebungen der Saarbergleute, ihre Ursachen und 
Wirkungen auf dem Bereich des Saarbrücker Bergbaues und ihre Berechtigung, Diss. Stra߬ 
burg 1912. 
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