bis 1910 - vermocht, das Tätigkeitsfeld des Saarbrücker Familienunternehmens
Röchling in einem bemerkenswerten Umfang auszudehnen. Dabei gilt es allerdings zu
betonen, daß dies unter anderen als der insgesamt äußerst günstigen Hauptphase der
Industrialisierung Deutschlands vor Ausbruch des 1. Weltkriegs wohl kaum möglich
gewesen wäre. Kernstück des Röchling-Konzerns war seit den 80er Jahren das 1873
gegründete Völklinger Eisenwerk. Karl Röchling aber verstand es, „diesen zentralen
Bereich seines Imperiums mit einem geschickt geknüpften Netz von industriellen
Beteiligungen und Beziehungen zu umgeben, das weit über die Grenzen des Saarlandes
hinausreichte“. Die wichtigsten Stützpunkte dieses Systems waren neben der 1897 bei
Diedenhofen gegründeten Carlshütte die Erzgruben im unweit davon gelegenen
Algringen sowie ausgedehnte Kohlenfelder in Lothringen und im Gebiet um Aachen,
ferner das westfälische Hamm. Hinzu kamen Kalksteinbrüche im Saargebiet, Kokso¬
fenanlagen einschließlich Anlagen zur Teer-, Ammoniak- und Benzolgewinnung, der
Kohlenhandel sowie Beteiligungen an Kaliwerken. Im Jahre 1908 erwarb Karl
Röchling im Tausch gegen Kohlenfelder bei Aachen von der französischen Aciéries de
Longwy eine Beteiligung an den Erzvorkommen im Becken von Briey.36
Eine derartige Konzernstrukturierung, die sich durch andere Beispiele ergänzen ließ,
konnte nur dann erfolgreich sein, wenn die Transportwege optimal waren, um
dadurch die Frachtraten so niedrig wie möglich zu halten. Im wesentlichen mußte es
dabei darum gehen, die Ergänzung von Saarkohle und lothringischer Minette
bestmöglich zu gestalten.37 Dabei kam den Lokalbahnen als Zubringer zu den
zweigleisigen Anlagen große Bedeutung zu. Zwar waren bereits bis 1870 französi-
scherseits Lokalbahnen in Lothringen gebaut worden,38 doch angesichts der politi¬
schen und wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten sie sich an anderen Zielsetzun¬
gen als nach 1871, vor allem nach 1878, als das Zusammengehen der lothringischen
Minette und der Saarkohle maßgebend wurde.
Zunächst versuchte man deutscherseits, die während der französischen Zeit entstan¬
denen Lokalbahnen soweit wie möglich in das bereits bestehende Netz der Hauptbah¬
nen einzubeziehen.39 Darüber hinaus ging es darum, neue Lokalstrecken zu errichten.
Unter Verwendung der bereits in Aussicht gestellten Landes-, Bezirks- und Gemeinde¬
zuschüsse beschloß das Reich daher den Bau der Bahnen von Mutzig nach Rothau
sowie von Steinburg nach Buchsweiler, beide auf elsässischem Gebiet, und bewilligte
die außerdem noch notwendigen Mittel durch Reichsgesetz vom 18. Juni 1873.40
Auf lothringischem Gebiet diente der Regional- und Lokalbahnbau, wie im übrigen
Reichsgebiet auch, der Erschließung von Gegenden, die bisher im Verkehrsschatten
geblieben waren.41 Dabei handelte es sich in der Regel um ländliche Regionen oder
um Plätze, die infolge der dort der Hebung harrender Erzvorkommen einen Bahnan¬
schluß erforderlich machten.42
36 Vgl. hierzu H. Jaeger, a. a. O., S. 212.
37 Vgl. hierzu K. Fuchs, Hermann Röchling, a. a. O., S. 226.
38 Vgl. hierzu L. Strauß, a. a. O., S. 56 ff.
39 ebd., S. 62.
40 ebd., S. 63.
41 ebd., S. 123 ff.
42 ebd.
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