Anstrengungen unternommen, um die Geschwindigkeit der Posten (die bis jetzt die
schnellste Art der Beförderung darstellen) zu beschleunigen, ohne daß man über
10 Meilen pro Stunde hinausgekommen ist; und auch das war nur möglich aufgrund
eines solchen Raubbaus an den Tieren,daß man nur mit großem Schmerz daran
denken kann. Auf der Liverpool-Eisenbahn hingegen erreicht man mit der größten
Leichtigkeit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Meilen.“12
Wie wichtig die Saarkohle für Lothringen bereits vor dem Bau der Strecke Metz-For-
bach und damit vor dem Eisenbahnzeitalter, durch das dem Massengut Steinkohle
eine ganz neue Dimension eröffnet wurde, war, geht daraus hervor, daß beispielswei¬
se auf der Straße zwischen Metz und Nancy täglich nicht weniger als 46 Pferde für
den Steinkohlentransport von Saarbrücken aus eingesetzt wurden, ln einer aus dem
Jahre 1844 stammenden Darstellung wird berichtet, daß die Louisenthaler „Kohlen¬
führer. . . hier größtenteils für Frankreich laden und über Burbach, Malstatt, St. Jo¬
hann und Forbach ihre Ladungen nach den drei Bistümern Metz, Toul und Verdun,
nach Nancy, ja bis Vitry, Chaumont und Epinal fahren. In der Hauptstraße von
Saarbrücken (so wird weiter festgestellt) bilden solche Kohlenfuhren, mit einem bis
sechs Pferden bespannt, eine ununterbrochene Reihe. Sie kommen in der Regel leer
an, bringen aber auch manchmal Salz mit oder Chausseesteine von Spichern.“2
Wenngleich der Verkauf saarländischer Kohle nach Lothringen die Wirtschaftsbezie¬
hungen zwischen den beiden benachbarten Räumen intensivierte und erhebliche
gegenseitige Abhängigkeiten schuf, so sollte doch erst der Eisenbahnbau Bindungen
schaffen, die maßgeblich dazu beitrugen, daß sich im saarländisch-lothringischen
Raum eines der bedeutendsten Industriereviere entwickelte. Zu betonen gilt es bei
dieser Feststellung, daß die Revierbildung durch zwei Ereignisse entscheidend geför¬
dert wurde: einmal die Annexion Lothringens durch Deutschland 1871, sodann durch
die Erfindung des Thomasverfahrens 1879, das die Verarbeitung der lothringischen
Minette im Großen ermöglichte. Zwar verfügte Lothringen über eine reiche Landwirt¬
schaft und Viehzucht sowie eine zwischen St.-Die und Nancy angesiedelte Textilindu¬
strie. Doch sein bedeutendster Wirtschaftszweig sollte sich auf den Eisenerzlagern, die
sich in den Kalken der Moselhöhen von Nancy bis nach Luxemburg und Belgien
hinein finden, entwickeln. Weil die Erze stark phosphorhaltig sind, werden sie
Minette (= kleines Erz) genannt.3 Auf der Grundlage des Thomasverfahrens erfuhr
die deutsche Eisen- und Stahlindustrie einen beeindruckenden Ausbau. Er wurde zu
einer der wichtigsten Voraussetzungen für die rasante Entwicklung des Deutschen
Reiches zu einer der führenden Industriemächte. Dabei gilt es auch das Ausmaß der
lothringischen Erzvorkommen zu berücksichtigen; immerhin umfaßten die Eisenerz¬
vorkommen Lothringens einen geschätzten Metallgehalt von 700 Millionen Ton¬
nen.4
laNicholas Wood, Treatise on Rail-roads and Interior Communication in General, London
21832, S. XII; zit. bei Wolfgang Schivelbusch, Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Indu¬
strialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, München, Wien (1977), S. 14.
2 Zit. bei Kurt Hoppstätter, Die Entsteheung der Saarländischen Eisenbahnen (Veröffentli¬
chungen des Instituts für Landeskunde des Saarlandes, 2), Saarbrücken 1961, S. 17.
3 Vgl. hierzu u. a. B. Cerf, Alsace-Lorraine since 1870 (1919).
4 Vgl. hierzu Gustav Stolper/Karl Häuser/Knut Borchardt, Deutsche Wirtschaftsgeschichte
seit 1870, Tübingen 21966, S. 24.
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