Full text: Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende

Konrad Fuchs 
Ausbau und Funktionen des Eisenbahnnetzes im 
lothringisch-saarländischen Industrierevier 
I. 
Als bedeutendes Kerngebiet der europäischen Montanindustrie, zu dem es sich im 
Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte, war das Saargebiet auf enge wirtschaftliche 
Verbindungen mit sämtlichen Nachbargebieten angewiesen, denn der eigene Markt 
vermochte nur einen geringen Teil der umfangreichen Produktion aufzunehmen. Von 
dieser Tatsache her hat man die saarländische Verkehrspolitik im allgemeinen und die 
lothringisch-saarländische im besonderen zu sehen. Maßgebend war sie selbstver¬ 
ständlich nicht nur während des Betrachtungszeitraums, der wirtschaftlich so interes¬ 
santen und wichtigen Epoche von 1871 bis 1918, sondern vorher ebenso wie nachher. 
Dementsprechend kam es bereits 1847 zu einer wichtigen Entscheidung der preußi¬ 
schen Regierung. An der Westgrenze des Landes wurde damals eine französische 
Bahnlinie von Metz nach Forbach gebaut. Zur gleichen Zeit entstand in der 
bayerischen Pfalz zwischen Ludwigshafen und Bexbach die Ludwigsbahn. Wenn 
nunmehr auf dem preußischen Teil des Saargebiets ein lediglich 22 km langes 
Verbindungsstück vom Endpunkt Bexbach zum Endpunkt Forbach gebaut wurde, 
dann bestand eine durchgehende Schienenstraße von Frankreich zum Rhein. Von der 
Bedeutung dieser Linie für den internationalen Verkehr einmal abgesehen, zog vor 
allem die Saarwirtschaft aus der Eisenbahnverbindung, dem damals schnellsten und 
zuverlässigsten Verkehrsmittel, Nutzen. Der preußische Staat als Eigentümer fast 
sämtlicher Kohlengruben im Saarrevier hatte daher ein erhebliches Interesse, die 
wirtschaftliche Entwicklung dieses vergleichsweise recht isolierten Produktionsgebie¬ 
tes zu fördern. Dementsprechend entschied sich die preußische Administration im 
Jahre 1847 für den Eisenbahnbau zwischen Bexbach und Forbach als staatliches 
Unternehmen. Noch im gleichen Jahr wurde mit den Bauarbeiten begonnen.1 
Bei der Betrachtung der verkehrspolitischen Problematik in der Frühzeit des Eisen¬ 
bahnbaues darf ein elementares Moment nicht unberücksichtigt bleiben: die Konse¬ 
quenz, die sich aus der Mechanisierung des Landverkehrs ergab, denn sie unterwarf 
diesen der „VerregeJmäßigung“. Der bisherige Verkehr zu Lande nämlich war anders 
als der zu Wasser das „schwächste Glied in der Kette der kapitalistischen Emanzipa¬ 
tion von den Schranken der organischen Natur“. Denn der Landverkehr, weitgehend 
abhängig vom Einsatz von Tieren und dem Zustand der Landstraßen, konnte über 
einen recht begrenzten Umfang hinaus nicht gesteigert werden, trotz noch so großer 
Anstrengungen, abgesehen davon, daß die Leistungssteigerungen mit erheblichen 
Kostenerhöhungen verbunden waren; sie erwuchsen u. a. aus dem Gespann- und dem 
Botenwechsel. Daher stellte Nicholas Wood 1832 fest: „Man hat die größten 
1 Vgl. hierzu W. O. Henderson, Die Entstehung der preußischen Eisenbahnen 1815-1848, in: 
Karl Erich Born (Hrsg.), Moderne deutsche Wirtschaftsgeschichte, Köln, Berlin 1966, 
S. 149. 
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