als das Siebenfache, in Saarlouis und Saarbrücken um mehr als das Dreifache.76 Das
Sparpotential war folglich längst nicht erschlossen. Darüber hinaus kann diese
Entwicklung als Beleg dafür herangezogen werden, daß die industrialisierten Gegen¬
den stärker in den Konjunkturzyklus eingebunden waren als die noch mehr landwirt¬
schaftlich geprägten.
Im Bayern zugehörigen Teil des heutigen Saarlandes fiel die erste Sparkassengründung
1874 in Homburg genau in den Umbruch. Sie machte vergleichsweise geringe
Fortschritte, was aber weniger an der wirtschaftlichen Situation als an der Organisa¬
tion gelegen haben dürfte.77
Deutlicher spiegeln den Konjunkturverlauf die Bilanzen des ältesten genossenschaftli¬
chen Kreditinstituts an der Saar, des 1862 gegründeten Bank-Vereins der Gewerbe¬
treibenden des Kreises Saarbrücken, wider. Sein Umsatz verdreifachte sich zwischen
1872 und 1875 auf über 5 Mio. Mark, um sich bis 1878 wieder auf 3,5 Mio. Mark
zu verringern. Die Mitgliederzahl stieg von Ende 1871 bis 1875 von 299 auf 509 um
70,2 % und ermäßigte sich dann um 16 %. Extrem verlief die Gewinnentwicklung:
hier ein regelrechter Absturz von fast 17 000,— Mark oder 14,5 % des Geschäftska¬
pitals 1875 auf nur noch 2 478,—M. im Jahr 1878; Indiz also für eine heftigere
Erschütterung im Gewerbe als nach den eben interpretierten Handelskammerberich¬
ten anzunehmen? Immerhin ging der Verein 1879 in Konkurs wohl nicht, denn das
Institut war allem Anschein nach wirtschaftlich gesund. Die Ursachen für den
Rentabilitätsschwund und die Liquidation lagen vielmehr in Veruntreuungen des
Kassierers. Er hatte allzusehr seiner Spielleidenschaft gefrönt und mehr als 100 000
Mark aus der Kasse abgezweigt, um sie in Nizza und Monaco zu verspielen.78
Die ausgewählten Beispiele haben gezeigt, daß Aufschwung, Krise und Stockung als
die wesentlichen Merkmale von Konjunkturzyklen sich für die Wirtschaft des
Saarreviers eindeutig nach weisen lassen. Die politischen Ereignisse zu Beginn der 70er
Jahre trafen das Grenzland als Kampfgebiet besonders empfindlich. Entsprechend
kräftig wirkten nach der Normalisierung der Lage die schon 1869 spürbar geworde¬
nen Auftriebskräfte. Die Reichsgründung gab die bekannten zusätzlichen Impulse,
wobei aus der Verschiebung der Grenze nach Westen zunächst keine Vorteile, wenn
nicht sogar Nachteile erwuchsen. Alle Bereiche der Wirtschaft erlebten einen nie
gekannten Aufschwung, verbunden mit einer regen Investitionstätigkeit.
Von einem Gründerboom aber sollte man, wenn überhaupt, nur sprechen in
Beziehung auf die Reichsgründung, nicht aber hinsichtlich der Zahl neuer Unterneh¬
76 LHA Koblenz, 403, 10002 f. Einlagenbestände 1878/79 bzw. 1879: Kreissparkasse Merzig
301 148,- M. - hier stiegen die Einlagen im Jahr 1877 aufgrund einer Satzungsänderung trotz
der Stagnation um das Siebenfache; Kreissparkasse St. Wendel 825 414,- M.; Kreissparkasse
Ottweiler, gegründet 1869, 153 532,- M.; Kreissparkasse Saarlouis 309 234,- M.; Kreisspar¬
kasse Saarbrücken 1,085 Mio. M.
77 Bezirkssparkasse Homburg-Saar 1874-1934, Homburg 1934, S. 5 f. 1879 hatten 92 Sparer
36 694 M. angelegt. Bis 1914 avancierte sie zur drittgrößten kommunalen Sparkasse der
bayerischen Pfalz.
78 JHK 1878 und 1879; Ph. W. Fabry, Bewährung im Grenzland. Genossenschaftsarbeit an der
Saar von 1860 bis zur Gegenwart, Saarbrücken 1986, S. 50 ff. Die Interpretation M. Pohls,
Die Saarländische Kreditbank, S. 14, geht in die Irre.
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