Auch das Jahr 1870 ließ sich hervorragend an. Die Nachfrage war selbst während der
sonst schwachen Monate so gut, daß die Bergverwaltung von „glänzenden Resulta¬
ten“ sprach und die Zukunft optimistisch beurteilte.11
Der Deutsch-Französische Krieg zerstörte diese Hoffnungen zunächst einmal. Die
Einberufung von 3 000 Bergleuten zum Militär, die Konfiszierung fast der gesamten
Transportkapazitäten, die Unterbrechung der Kanalschiffahrt und schließlich ein
Export-Verbot nach Frankreich, dem wichtigsten ausländischen Markt, mußten
deutliche Spuren hinterlassen. Wenn dennoch die Förderung gegenüber 1869 nur um
26 % zurückfiel, belegt dies in der Tat, wie gut die Vorkriegsgeschäfte gelaufen sein
müssen.12
Das für die Saar wohl entscheidendste Ergebnis des Krieges, die Verschiebung der
Grenze nach Westen, blieb für den Bergbau ohne wesentliche Folgen. In Lothringen
hatte Frankreich erst seit dem Verlust des Saarbeckens nach 1815 mit der Exploration
der Kohlenlager begonnen, der jedoch wegen schwieriger geologischer Verhältnisse
nur geringer Erfolg beschieden blieb. Ungeachtet aller politischen Spannungen
versorgten die preußischen Gruben den französischen Markt weiter mit Kohlen.
Zeitweise fand mehr als die Hälfte der Förderung dort ihre Verbraucher. 1869 waren
es 46 % und im ersten Kriegsjahr immerhin noch mehr als ein Drittel des Absatzes.13
Elsaß-Lothringen war als Markt also ohnehin erschlossen, und die vorübergehende
Stockung des Exports wurde überkompensiert durch die explodierende Inlandsnach¬
frage. So lag die Förderung zwar 1871 noch knapp unter der Marke von 1868, doch
schon für das erste Normaljahr, 1872, verzeichnete die Statistik eine Steigerung um
fast ein Drittel auf den neuen Rekordwert von 4,1 Mio. Tonnen. Den vorläufigen
Höhepunkt markierten die Jahre 1875, 1876 und 1879 mit Produktionsziffern von
annähernd je 4,5 Mio. Tonnen.14
Also kein Einbruch im Bergbau, als vielmehr ein Atemholen auf hohem Niveau? Was
Produktion und Absatz angeht, lautet die Antwort ja.15 Ein Blick auf die Verkaufsge¬
biete aber zeigt schon, daß das hohe Niveau nur durch Umschichtungen zu halten
war.
11 E. Klein, 70er Jahre, S. 753.
12 E. Klein, 70er Jahre, S. 754; B. Jordan, Die Absatzverhältnisse der Kgl. Saarbrücker
Steinkohlengruben in den letzten 30 Jahren, in: Zs. für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen
32, 1884, S. 570 f.
13 B. Jordan, Absatzverhältnisse, S. 573; K. Fuchs, Die Bemühungen der preußischen Bergver¬
waltung um den Absatz der Steinkohlenförderung des Saarreviers 1815-1900, in: Zs. für die
Geschichte der Saargegend 13, 1963, S. 95, 113 f.; Das Reichsland Elsaß-Lothringen,
Frankfurt/M. 1931, Bd. 1, S. 85 ff., 114 ff.; A. Haßlacher, Das Industriegebiet an der Saar
und seine hauptsächlichsten Industriezweige, Saarbrücken 1912, S. 77 ff. P. Thomes, Wirt¬
schaftliche Verflechtungen einer Grenzregion: Die Industrielandschaft Saar-Lor-Lux im
19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 14, 1988, S. 184 ff.
14 G. Linden, Steinkohlenbergbau, S. IV.
15 Ähnlich verlief die Entwicklung auch im Oberbergamtsbezirk Dortmund, also im Ruhrgebiet,
wo im Vergleich der Jahre 1872 und 1879 gar ein Plus von rund 42 % erzielt wurde. Der
Anstieg verlief kontinuierlicher, da die Region vom Krieg weniger betroffen als die Saar. Die
Zahlen spiegeln nicht zuletzt den vermehrten Energiebedarf durch den ständig expandierenden
Einsatz von Maschinen. C. L. Holtfrerich, Quantitative Wirtschaftsgeschichte des Ruhrkoh¬
lenbergbaus im 19. Jahrhundert, Dortmund 1973, S. 17.
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