werden. Im Idealfalle sollte man von allen Plätzen der Kirche aus den Altar sehen
können.21 Die St. Josefs-Kirche in St. Ingbert ist eines der frühesten Beispiele für die
Realisierung dieser Forderungen. - Zum Glück hat diese Kirche ihre originale reiche
und qualitätvolle Ausstattung bewahren können.
Mit der katholischen Pfarrkirche St. Peter und St. Paul in Theley22 hat Wilhelm
Hector 1890-93 eine dreischiffige neogotische Hallenkirche von fast asketischer
Einfachheit, aber mit beachtlichen architektonischen Qualitäten geschaffen. Die in
Richtung auf den Chor voranschreitenden Scheidbögen sind so zurückhaltend konzi¬
piert, daß sie - vom Gewölbe her betrachtet - die latente Tendenz zur Raumverein¬
heitlichung kaum beeinträchtigen (Abb. 3 u. 4). (Die Kirche wurde 1966 von Toni
Laub, Saarwellingen, um niedrige seitliche Anbauten erweitert; das Herausbrechen
der Pfeiler wegen besserer Sichtmöglichkeiten wurde 1962 abgelehnt.)
Die evangelische Johanniskirche in Saarbrücken-St. Johann stellt einen Höhe¬
punkt des saarländischen Kirchenbaues im Hinblick auf architektonische Qualität und
städtebauliche Konzeption dar. (Abb. 5 u. 6). Der Saarbrücker Architekt Heinrich
Güth hatte zwar nur den zweiten Preis im Architektenwettbewerb23 errungen, wurde
aber dennoch mit der Erbauung der Kirche (1894-98) betraut - wie sich zeigte, nicht
zu Unrecht. - In markanter städtebaulicher Situation im Hinblick auf die damals erst
noch zu erbauenden Straßenfluchten und das erst 1897-1900 errichtete Rathaus von
Georg Hauberisser konzipiert, folgt der Außenbau den Prinzipien der dogma¬
tisch-doktrinären Neugotik, im Gesamt und im Detail von erstaunlicher Qualität;
alles ist in präzise behauenem Buntsandstein ausgeführt: das Schiff mit seinen vier
Wimpergen, die die Traufe im Verein mit den Fialen der Strebepfeiler übersteigen; der
hohe Turm vor der Mitte des Schiffes; das Querschiff mit den zweiachsig angeordne¬
ten Fenstern und den reich gezierten Giebeln; die dreiseitig geschlossene Apsis. Das
Innere stellte sich bis zu seiner Umgestaltung durch H. O. Vogel (1966) als eine
typisch protestantische Saalkirche spätneugotischer Prägung dar; die Querhäuser
waren mit Emporen ausgebaut. Das so heftig diskutierte „Wiesbadener Programm“
von 1891 für die Raumgestalt und die Disposition der Hauptstücke wurde bei der
Ausstattung des Altarraumes nicht befolgt. Die (leider abgerissene) Empore für Chor
21 M. Bringmann, Studien zur neuromanischen Architektur in Deutschland. Diss. Heidelberg
1968, S. 39 f., 113-119. S. 119 und Anm. 481 äußert sich Bringmann dahingehend, daß man
aus dem Résumée zu Prälat Schneiders Bemühungen von einem mißglückten Versuch sprechen
müsse. Nun sind in der Tat die Vorschläge Schneiders (bei großen Kirchen) kaum wörtlich
übernommen worden; aber sie wirkten sich insgesamt mehr aus, als man wohl meinte - d. h.:
ihrem Sinne und ihrer Intention nach. Ludwig Becker hat sich in dem Aufsatz über seine
Kirchenplanung für Bad Homburg vor der Höhe (Zs. f. Chr. Kunst, 1891, Sp. 3-14, hier:
Sp. 5 f.) kritisch mit Schneiders Empfehlungen auseinandergesetzt. Seine beigegebenen Pläne
zeigen indessen das Eingehen auf Schneiders Ideen. Dieser hatte seine Vorstellungen im
1. Jahrgang der Zeitschrift für Christliche Kunst 1888 (Sp. 153-164) dargelegt und dabei auch
schon einen entsprechenden Grundriß aus der Feder Ludwig Beckers (!) abgebildet
(Sp. 159 f.).
22 Handbuch (wie Anm. 3), S. 898. - Busse (wie Anm. 19), S. 137.
23 Klewitz (wie Anm. 7), S. 254. - Dehio, S. 896. - Deutsche Konkurrenzen, hg. von
A. Neumeister und E. Haberle, Heft 4: Konkurrenzen für Breslau und St. Johann. Leipzig
1892. - A. Ruppersberg, Geschichte der evangelischen Gemeinde St. Johann zu Saarbrük-
ken. Saarbrücken 1927. - Bringmann (wie Anm. 21), S. 156.
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