meistens der Hühnerhabicht, astur palumbarius, gemeint, die Bezeichnung
bezieht sich aber auch auf die Raubvogelfamilie des Habichts mit Einschluss
des Sperbers. Die Vielfalt der möglichen Bedeutungen kommt bereits in den
historischen regionalen Lexika vor: Im Nomenclator Latinosaxonicus des Na¬
than Chyträus (Rostock 1613) wird z. B. lat. accipiter, circus mit ,ein Havick,
falc‘ gedeutet, so wie lat. buteo mit ,eine art vam Havick1; im 19. Jahrhundert
heißt es Hahvk, Hähvk ,falco palumbarius4 (MecklWb 3, 558). Das Wort hat
auch in Flurnamen seinen Niederschlag gefunden, vgl.: Hawkenkost, auch
Havekost, Haßenpaß (ebd.). Im Dialektraum von Ost- und Westpreußen bis
1918 ist höß, höjkd m. ,Habicht4 die allgemein verbreitete Mundartform von
Habicht (PREUßWB 2, 578f; Frischbier 1,265).
In den niederdeutschen und in den auf niederdeutscher Grundlage beruhen¬
den mitteldeutschen Mundarten Sachsen-Anhalts ist der Tiemame Häwek m.
,Habicht4 ebenfalls verbreitet: Die Varianten reichen von Häwek, Häwik im
Elbostfälischen und im Nordbrandenburgischen, H(o)awich(t), H(o)abich(t)
mit auslautendem Dental nach Verstummen des alten -k - im Branden-
burgischen, Elbostfälischen und Ostmitteldeutschen, bis hin zu den Formen
Hawk, Haß, Höwk etc., die im gesamten Gebiet vereinzelt Vorkommen
(MecklWb 2, 78).
In den rheinischen Mundarten wird der Habicht meistens mit Ersatzwörtern
wie Hühnerdieb, Stoßvogel bezeichnet. Nur im Süden des vom RheinWb er¬
fassten Gebietes wird der Vogel mit Altwörtem bezeichnet (Habicht, Hawei-
he, Har, Harlicker); außerdem kennt allein das rheinfränkische Gebiet für
Habicht rein mundartliche Formen (hawix(t), häbx etc.) (RheinWb 3, 30f. und
Wortkarte III 1). Im Moselfränkischen lässt sich jedoch in Flurnamen die
Lautform Hock m. ,Habicht4 belegen (vgl. unten Abschnitt D).
D. Das Lemma Hock m. ,Habicht4, das im Untersuchungsraum appellativisch
nicht mehr belegt ist, lässt sich jedoch in Flurnamen des Saar-Mosel-Raums
nachweisen, und zwar im moselfränkischen Teil des Saarlandes, der An¬
schluss nach Norden hat, so in Schmelz-Aussen (Lkr. Saarlouis), in Keu-
chingen (Lkr. Merzig-Wadern), in Weiten (Lkr. Merzig-Wadern) und in
Wellingen (Lkr. Merzig-Wadern). Das Wort stellt ein Relikt aus dem heimi¬
schen mittel fränkischen Dialekt dar.1 Im Untersuchungsraum sind sonst Ha¬
bicht oder Har (vgl. RheinWb 3, 30f. und Wortkarte III 1; CONRATH 91) zu
erwarten. Die Reliktlage im Saar-Mosel-Raum deutet wohl auf die einstige
Verbreitung dieses Wortes bis ins Moselfränkische. Darüber hinaus ist hock in
einem literarischen Werk aus frühneuhochdeutscher Zeit belegt, und zwar in
der im 15. Jahrhundert entstandenen anonymen Berleburger Versübersetzung
der Pilgerfahrt des träumenden Mönchs. In dieser mit sehr hoher Wahrschein¬
lichkeit im lothringisch-saarländischen Raum, zwischen Sprachgrenze und
177 Vgl. Haubrichs 2002, 563; Ders. 2007a, 174.
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